Ernst Haeckel an Eduard Strasburger, Jena, 7. Januar 1869

Jena 7. Jan. 69.

Lieber Freund

und Collega specialis in Spe!

in optima Spe!

Unter der ausdrücklichen Bedingung, daß Sie diesen Brief ganz geheim halten, gratulire ich Ihnen schon heute zu der frohen Erfüllung unserer beiderseitigen Wünsche. Wie ich gestern auf einem Umwege hörte, ist die beste Aussicht, daß Sie noch im Laufe dieses Monats – spätestens jedenfalls im Februar! – das ersehnte Schreiben erhalten werden! –

Es hat hier freilich noch mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden gegeben, wovon ich Ihnen mündlich Alles ausführlich mittheilen werde! ||

Ich freue mich jetzt um so mehr auf Ihr Kommen, als wir zusammen in bester und freundlichster Nachbarschaft wirken werden. Die obere Etage des Gebäudes, die Pringsheim bewohnte, soll nämlich zum zoologischen Institut umgewandelt werden, während die untere botanisches Institut bleibt. Ich denke, da werden wir uns gegenseitig recht tüchtig unterstützen und die gemeinsamen Vortheile recht ausbeuten können. Bestens denk ich auch von der Ausarbeitung des Handbuchs, an das ich ebenso wie Sie denke, und zwar ernstlich!

Wir werden uns da gegenseitig gewiß Viel helfen können! ||

Es freut mich ungemein, daß Sie diese Idee fest halten! Wie sehr auch das Buch von Sachs a seine Vorgänger übertrifft, so läßt es doch immer noch Viel zu wünschen übrig! Über die Hoffmeistersche Logik – Physiologische Botanik: II Theil Morphologie – habe ich mich b wieder amüsirt! Man könnte es aber so gut umkehren: Morphologische Botanik: c I. Theil Physiologie etc. Nicht einmal in den allgemeinsten Eintheilungen sind die Leute mehr logisch!

Daß Sie Atomistik studiren, ist vortrefflich. Wie Viel ist da noch zu machen! ||

Meine „generelle Morphologie“ bearbeite ich jetzt für die englische Übersetzung, welche die Royal Society herausgiebt. Dabei sehe ich mit Bedauern, wieviel Unsinn ich in das Buch hineingepfropft habe. Das wirklich Gute und Neue geht dadurch großentheils verloren, und wird verdeckt.

Dagegen habe ich an meiner „natürlichen Schöpfungsgeschichte“ viel Freude! Sie ist so gut gegangen, daß die erste Auflage fast verkauft ist. Mit meinen Vorlesungen bin ich diesen Winter recht zufrieden.

Zu Hause geht es uns auch gut. Mein kleiner Junge macht mir viel Spaß! Sehr erfreut hat mich, daß Gegenbaur sich zu Weihnachten wieder verlobt hat, mit einer Tochter des Anatomen Arnold in Heidelberg. – Den Vortrag, den ich „über Arbeitstheilung“ zu Weihnachten in Berlin hielt, hat dort recht gut gefallen, und wird gedruckt. – Ich sah auch Pringsheim! Er war sehr unzufrieden und mißvergnügt! –

Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr treu ergebener Haeckel

a gestr.: die; b gestr.: auch; c gestr.: xxx;

Brief Metadaten

ID
40863
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
07.01.1869
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Abt. Hss. u. Rara
Signatur
NL Strasburger, Eduard
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Strasburger, Eduard; Jena; 07.01.1869; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_40863