Ernst Haeckel an Marie Eugenie delle Grazie, 9. September 1896
München 9. 9. 1896.
Hochverehrtes liebes Fräulein
Die beiden „glücklichen Tage“, welche der Salzburger Theater-Zettel am 3. und 4. September versprochen hatte, sind für mich in höherem Grade, als ich gehofft hatte, die Glanzpunkte meiner diesjährigen Herbstreise geworden; und da ich den Genuß derselben vor Allem Ihrem Genius verdanke, will ich nicht unterlassen, Ihnen noch von hier aus meinen herzlichsten Dank abzustatten! ||
Sowohl unsere beiden schönen Spaziergänge auf den Moenchsberg, als auch die herrlichen Stunden in dem sonnenglänzenden Park von Aigen gehören zu meinen schönsten Erinnerungen und lassen jetzt das alte liebe Salzburg mir doppelt reizend erscheinen. Nachträglich ist mir freilich so Mancherlei eingefallen, das in der gemeinsamen Interessen-Sphäre unserer Weltanschauung liegt, und das ich so gern noch mit Ihnen besprochen hätte – leider zu spät! ||
Auch die persönliche Bekanntschaft Ihres lieben Pflegevaters und Beschützers zu machen, gereichte mir zur besonderen Freude; bei einem so klaren und welterfahrenen Denker eine so sympathische und verständnißvolle Beurtheilung meines wissenschaftlichen Strebens zu finden (– und noch dazu bei einem frühren katholischen Theologen! –) gereichte mir zur besonderen Freude und Ehre! Bitte bestellen Sie auch ihm meine herzlichsten Grüße! ||
Professor Gabriel Max kann mein Porträt auf seiner Villa in Ambach (am Starnberger See) erst in den nächsten Tagen ausführen. Ich habe daher einige Tage dem Besuche der hiesigen Kunstausstellungen widmen können, sowie meinen alten Lieblingen, der „Neuen Pinakothek“ und der Schack’schen Gallerie. Bis Montag (14. September) bleibe ich in Ambach. Am 16. werde ich wieder in meiner Klosterzelle in Jena eintreffen. Inzwischen bleibe ich mit wiederholtem herzlichen Danke Ihr verehrungsvoll ergebener
Ernst Haeckel.