Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Hermann Allmers, Jena, 25. Juni 1864

Jena, 25.6.64.

Mein teurer lieber Freund!

… Daß ich hoffen darf, in diesem Kampfe noch etwas zu leisten und der armen, elenden Menschheit zu helfen, in dem Kampfe um die Freiheit des Denkens und des Handelns weiter emporzudringen, – daß ich hoffen darf, dann nicht umsonst gelebt zu haben, das ists, was mich jetzt allein noch an das Leben fesselt, an ein Leben, das ich hasse und verachte, und dessen für andere so liebliche Reize für mich keinen Wert mehr haben.

Ich habe rechtes Bedürfnis, mein lieber Hermann, mich ganz gegen Dich auszusprechen und mir mit Dir die Zukunft zurechtzulegen und die glückselige Vergangenheit zurückzurufen. … Auch in den verödeten, des lieblichen Schutzgeistes beraubten Räumen bist Du stets der willkommenste Gast ...

An Deinen lieben Liedern, die meine Anna mir auf unsern gemeinsamen Wanderungen so lieblich zitierte, habe ich jetzt rechten Trost. Es ist mir, als ob ich jetzt erst recht ihre tiefe Wehmut verstünde.

„Wie oft kommt mir ihr liebes Bild,

Hold lächelnd wie in bessern Tagen,

Und nickt zu mir, als spräch es mild:

‚Mein armer Junge, laß dein Klagen!‘“

Hoffentlich hast Du bald einmal eine freie Stunde, um mich durch einen lieben Brief zu erfreuen.

In alter Treue

Dein armer einsamer

Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.06.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Original verschollen
ID
40733