Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Walter de Gruyter, Jena, 3. Juni 1919

Herrn Dr. W. de Gruyter, Berlin W. 10.

Jena 3. Juni 1919

Hochgeehrter Herr Doktor!

Ihre heute erhaltene Mitteilung, daß meine vor 50 Jahren im Verlage von G. Reimer erschienene „Natürliche Schöpfungsgeschichte“ ausverkauft ist, und daß Sie bald eine neue (12.) Auflage davon veranstalten wollen, hat mich sehr erfreut. Ich glaube Ihnen einen guten Erfolg dieses Unternehmens, das unter den jetzigen schwierigen Zeitverhältnissen gewagt erscheinen könnte, prophezeien zu können. Denn das Interesse an diesem Werke ist in weiten Kreisen noch sehr lebhaft und noch in den letzten Jahren ist der Wunsch nach einer neuen Auflage sowohl brieflich als mündlich, von vielen Seiten (besonders von Lehrern und Ärzten) gegen mich geäußert worden. ||

Bezüglich der Ausführung unsers Unternehmens bin ich mit Ihren vorläufigen Vorschlägen ganz einverstanden, also:

– 1. Abdruck des Textes der 11. Aufl. im Wesentlichen unverändert, mittels der Schriftrollen der Setzmaschine

– 2. Beschränkung des Umfangs durch Verengerung des Zeilen Durchschusses Komprimierung von 57 auf cc. 45 Bogen.

– 3. Weitere Einschränkung durch Wegfall spezieller Ausführungen (besonders im II. Teile) und Wiederholungen

– 4. Vervielfältigung der 30 Tafeln durch billigen Lichtdruck.

– 5. Möglichst billige Herstellung und niedriger Ansatz des Ladenpreises ||

Unsere früher schon erwogene Absicht dera Herstellung einer billigen „Volksausgabe“ – behufs weiter Verbreitung –, soll demnach bei der sofort zu beginnenden Herstellung des Manuskripts von mir beständig im Auge behalten werden. Die Honorar-Frage wird keine Schwierigkeiten machen. Über diese und andere Einzel-Fragen werde ich in nächster Woche (nach Pfingsten) Näheres mitteilen.

Wenn Sie noch 1 oder 2 ungebundene (lädierte oder unverkäufliche) Exemplare des Buches vorrätig haben, bitte ich mir sie sofort zusenden, da ich mit der Revision des Manuskriptes baldigst anfangen will. Auch Beschleunigung des Druckes ist sehr erwünscht, damit ich noch selbst die Revision der Korrektur vornehmen kann. Bei dieser wird mir die Mitarbeit meines Sekretärs, Dr. phil. Heinrich Schmidt (Jena, Pfaffenstieg 5) sehr nützlich und nötig sein. ||

Meine Gesundheit nimmt seit 3 Monaten, seit Antritt meines 86. Lebensjahres, beständig ab. Ich rechne kaum noch auf 4-6 Monate Lebensreste. Den ganzen Winter bin ich nicht aus der Stube gekommen. Dazu drücken mich die trostlosen politischen und sozialen Verhältnisse so nieder, daß ich die Zukunft nur ganz pessimistisch ansehen kann.

Trotzdem hoffe ich (– wenn mein schwaches Herz und Gehirn noch ausreicht) bis September durchhalten und mit dem kurzen Vorwort zur 12. Auflage meines Buches meinen letzten Arbeitsrest abschließen zu können!

Mit hochachtungsvollem Gruße

Ihr ergebenster

Ernst Haeckel.

a gestr.: durch, eingef.: der

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.06.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Berlin
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Verlagsarchiv Walter de Gruyter
Signatur
M 7704 Dep. 42, Gr., Haeckel, Ernst, Bl. 2r-3v
ID
40702