Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Walter de Gruyter, Jena, 8. Januar 1911

Jena 8. Januar 1911

Hochgeehrter Herr Doktor!

Für ihre freundliche Mitteilung, betreffend den Absatz der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ bestens dankend erkläre ich mich mit Ihren bezüglichen Vorschlägen ganz einverstanden.

Nach Lage der Verhältnisse wird es das Beste sein, daß Sie einen Teil der letzten (XI.) Auflage als billige Ausgabe in einem einfachen Leinen Einband zum Preise von 8 Mk in den Handel bringen. Daneben kann die alte zweibändige Halbfranzausgabe zu Mk 16 stehen bleiben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dadurch der Absatz des Werkes besonders in Lehrer-und Studenten-Kreisen wesentlich gefördert werden wird. ||

Der oft von uns besprochene Plan einer noch billigeren „Volksausgabe“, der mir auch neuerdings brieflich oft wiederholt wurde, kann einstweilen vertagt werden. Vielleicht ließe es sich durch billigere Herstellung der (unentbehrlichen!) Abbildungen – in Zinkätzung oder Autotypie – erreichen. Indessen glaube ich, daß die Nachfrage nach dem Buche überhaupt nachlassen wird, da die meist interessirten Lehrerkreise inzwischen durch zahlreiche ähnliche (zum Teil glänzendere und reicher illustrierte) Werke die moderne Entwickelungslehre populär und mundgerecht dargestellt finden (z. B. Bölsche’s Schriften und Carus Sterne „Werden und Vergehen“.) ||

Wie steht es mit dem Absatz der „Systematischen Phylogenie“? Sie findet nur wenige eingehende Leser; aber gerade von Einigen dieser kompetenten Kenner hörte ich täglich wieder, daß sie dieses Werk für mein gedankenreichstes und originellstes halten. Einer schrieb mir: „Trösten Sie sich mit Lamarck! Nach 50 Jahren werden die Zoologen seinen Wert wohl begreifen!“

Falls Sie von den Berliner Vorträgen (Kampf um den Entwicklungsgedanken 1905) noch viel Vorrat haben, möchte ich um 10 Exemplare bitten, eventuell zum Netto-Preise. Ebenso 4 oder 6 Exemplare von den „Arabischen Korallen“. –

Wie geht der Absatz der „Prinzipien der generellen Morphologie“? ||

Beifolgende Broschüre: „Sandalion“ sollte schon vor 14 Tagen in Ihre Hände gelangen. Ich hoffe mit dieser notgedrungenen Antwort den Jesuiten beider Konfessionen endlich das Handwerk der Verleumdung gelegt zu haben. Fertig wird man mit ihnen nie!

Hoffentlich haben Sie und Ihre liebe Familie das neue Jahr in befriedigendem Wohlsein angetreten!

Ich kann (im 77sten Jahre!) jetzt leidlich zufrieden sein.

Mit freundlichen Grüssen und besten Wünschen

Ihr ergebener

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.01.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Verlagsarchiv Walter de Gruyter
Signatur
M 7704 Dep. 42, R 2, Haeckel, Ernst, Bl. 71r-72v
ID
40635