Ernst Haeckel an Georg Reimer, Jena, 7. Februar 1871
Jena 7. Februar 71.
Lieber Georg!
Ich sende Dir beifolgend eine Petition der „Prager Lesehalle deutscher Studenten“ mit der Bitte um freundliche Berücksichtigung. Der Verein verfolgt, wie ich von mehreren Seiten übereinstimmend gehört habe, mit größtem Eifer und guten Erfolge den Zweck, in Prag dem überhandnehmenden und aggressiven Czechenthum gegenüber deutsche Sitte und Wissenschaft zu wahren und zu kräftigen. Er besitzt schon eine hübsche deutsche Bibliothek, die größtentheils von Geschenken deutscher Lehrer herrührt. ||
Was ich gegenwärtig von meinen kleineren Sachen noch hier habe, habe ich ihm bereits geschickt, und möchte Dich freundlichst im deutschen patriotischen Interesse bitten, dem Petenten auch meine Schöpfungsgeschichte – und wenn es Dir genehm ist – a die generelle Morphologie zu senden. Vielleicht nimmst Du überhaupt an dem Verein Interesse und kannst ihm auch noch in anderer Weise behülflich sein. Am besten wird es sein, Du schickst an die angegebene Buchhandlung S. Dominicus in Prag. ||
Den Brief selbst bitte ich mir aufzuheben. Ich komme in 2 oder 3 Wochen auf ein paar Tage nach Berlin und werde nicht verfehlen, Euch zu besuchen.
Bei uns geht es gut, obwohl Agnes erst in etwa 8 Tagen das Bett wird verlassen können. Sie hat sich aber sehr erholt. Walter ist mit seinem kleinen „Westerlein“ sehr zärtlich.
Wir hatten viel Unruhe und Kopfbrechen durch die Berufung nach Wien, sind aber doch schließlich recht froh, hier geblieben zu sein. ||
Vorgestern hat diese Angelegenheit, durch einen feierlichen Fackelzug der Studenten ihren Abschluß gefunden.
Auch vor 8 Tagen hatten wir Fackelzug, zu Ehren des Falles von Paris, der hier mehr Enthusiasmus hervorgerufen hat als in Berlin.
Meine Schwiegermutter und Clara wohnen noch bei uns.
Alle grüßen Dich und die Deinigen herzlichst.
Dein getreuer
Ernst Haeckel
a gestr.: Auch