Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Georg Reimer, Jena, 17. Januar 1869

Jena 17 Jan. 69.

Lieber Georg!

Seit meiner Rückkehr aus Berlin habe ich mich ununterbrochen a mit der Umarbeitung meiner generellen Morphologie für die englische Übersetzung, welche die Royal-Society veranstaltet, beschäftigt, und bin nunmehr mit der Umarbeitung des ersten Bandes beinah fertig. Ich will denselben aber nicht abschicken, ohne Dir nochmals den Vorschlag einer zweiten Ausgabe auch des deutschen Originals gemacht zu haben. Das Buch hat nämlich eine dergestalt veränderte Gestalt gewonnen, daß mir eine zweite „umgearbeitete b Auflage“ ebenso in Deinem wie in meinem Interesse geboten erscheint. ||

Wie ich Dir schon zu Weihnachten sagte, beanspruche ich für diese zweite wesentlich verbesserte Auflage kein Honorar, und da Du doch bis jetzt schon über die Hälfte (und im Laufe dieses Jahres, bis zum Erscheinen der II. Aufl., vermuthlich ungefähr 2/3) der I. Aufl. abgesetzt haben wirst, sollte ich meinen, daß Du keinen Schaden dabei haben könntest.

Ich habe sämmtliche Ausstellungen, welche die Kritik, meine Freunde und ich selbst an dem Buche zu machen hatten, gehörig berücksichtigt, und habe also

I) das Volumen durch viele Kürzungen und Streichungen auf 2/3 reducirt. ||

II) Alle Polemik, namentlich alle persönliche, gestrichen

III) Alle nicht streng zur Sache gehörigen Bemerkungen gestrichen

IV) Viele wesentliche fachliche Verbesserungen angebracht. ||

Dagegen würde ich es für dringend nothwendig halten, den Text der II. Aufl. durch eine größere Anzahl (100–150) Holzschnitte zu illustriren, da c erläuternde Abbildungen von den meisten Lesern empfindlich vermißt worden sind. Die meisten von diesen Holzschnitten würden übrigens höchst einfach, gleich mathematischen Figuren, sein.

Das Buch würde demgemäß eine gänzlich andere Gestalt und namentlich eine streng wissenschaftliche und objective Haltung gewinnen, die allerdings an der I. Aufl. nur zu sehr zu vermissen ist. Ich glaube, daß es in dieser Form weit mehr Anklang, als in der erstern, finden würde; um so mehr als in der natürlichen Schöpfungsgeschichte, die doch recht gut zu gehen scheint, vielfach darauf Bezug genommen wird. ||

Solltest Du auf meinen Vorschlag eingehen, so würde es wohl am besten sein, wenn dem englischen Übersetzer die einzelnen Aushängebogen der II. Aufl. zugesandt würden, so daß dann englische und deutsche Ausgabe gleichzeitig, gegen Ende dieses Jahres oder im Beginn des nächsten, erscheinen könnten. Der unverkaufte Rest der ersten Aufl. müßte natürlich eingestampft werden.

Sollte Dir dagegen dieser Vorschlag auch jetzt noch unannehmbar erscheinen, so bitte ich Dich bald um entscheidende Antwort, damit ich den umgearbeiteten ersten Band zur Übersetzung nach London schicken kann.

Bei uns ist Alles wohl und munter, ebenso bei Huschkes. Der kleine Walter gedeiht vortrefflich und macht uns viele Freude. Mit herzlichen Grüßen von Agnes und mir an

Dich und die Deinigen

Dein treuer

Ernst Haeckel

a gestr. unleserlicher Text; b gestr.: und; c gestr.: der Mangel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.01.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Verlagsarchiv Walter de Gruyter
Signatur
M 7704 Dep. 42, R1, Haeckel, Ernst, Bl. 61r-62v
ID
40548