Ernst Haeckel an Gustav von Loeper, Jena, 7. Juni 1885
Jena 7. Juni 1885
Hochgeehrter Herr Geheimer Rath!
Auf Ihre freundliche, gestern erhaltene Anfrage beehre ich mich ergebenst zu erwidern, daß ich selbstverständlich mit dem lebhaftesten Interesse einer eventuellen Aufforderung Ihrer Königlichen Hoheit, der Frau Großherzogin Folge leisten und mich sehr gern an der Verwerthung der in Goethes’ Nachlasse gefundenen naturwissenschaftlichen Studien, – namentlich der morphologischen – activ betheiligen würde. ||
Betreffend Ihre vertrauliche Anfrage wegen Professor Stahl und dessen eventueller Mitarbeit an dem botanischen Theil des Nachlasses, so glaube ich diesen vortrefflichen Collegen als dazu wohl geeignet empfehlen zu können. Während unserer fünfjährigen näheren Bekanntschaft habe ich seine reichen und gediegenen wissenschaftlichen Kenntnisse, sowie seina klares und scharfes Urtheil, besonders auch in Bezug auf allgemeine Fragen, stetig zunehmend schätzen lernen. [!] ||
Auch glaube ich, daß er wohl im Stande sein wird, allgemeine botanische Fragen für den weiteren Kreis des gebildeten Publicums ansprechend zu behandeln, obgleich er sich bisher nicht viel darin versucht hat. Sollte Prof. Stahl die Aufforderung zur Mitarbeit ablehnen (– was ich nicht für unmöglich halte –), so würde ich demnächst mirb erlauben, c seinen Vorgänger, Prof. Strasburger in Bonn, vorzuschlagen, den ich unter den übrigen (mir größtentheils persönlich bekannten) deutschen Botanikern als besonders für diese Aufgabe geeignet halten möchte. ||
Ihrer Anweisung entsprechend, habe ich von Ihrem vertraulichen Briefe Niemand eine Mittheilung gemacht und auch Prof. Stahl Nichts davon gesagt. Weiteren bezüglichen Mittheilungen sehe ich mit dem wärmsten Interesse entgegen, und würde einstweilen nur bitten, Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin meinen ergebensten Dank für das ehrenvolle, mir zugewendete Vertrauen auszusprechen.
In vorzüglicher Hochachtung
Ihr ganz ergebener
Ernst Haeckel
a Dittographie: sein; b eingef.: mir; c gestr.: xxx