Ernst Haeckel an Julius Rodenberg, Jena, 15. September 1898
ZOOLOGISCHES INSTITUT
DER UNIVERSITÄT JENA.
JENA, DEN 15.9.1898.
Hochgeehrter Herr Doctor!
Für Ihren freundschaftlichen Brief und die rasche Beantwortung meiner Anfrage danke ich Ihnen herzlich. Es freut mich aufrichtig, daß meine Cambridge-Address zuerst in Ihrer „Deutschen Rundschau“ erscheinen soll, als in derjenigen deutschen Zeitschrift, welcher Sie durch Ihre ausgezeichnete Redaction und Umsicht den erstrebten Character eines leitenden Haupt-Organs für unser geistiges Leben durch so lange Jahre zu erhalten gewußt haben. ||
Ihren Wunsch, die auf Virchow bezügliche Stelle meiner Rede zu streichen, erfülle ich mit Vergnügen. Sie wissen ja von früher her, daß ich freundschaftlichen Correcturen stets zugänglich, und dankbar bin, wenn ein objectiver Kritiker meine bisweilen zu scharf ausfallenden subjectiven Empfindungen in maßvollere Form bringt.
Die Stellung Virchow’s (dessen wahre Verdienste ich sehr hoch schätze) ist allerdings in dieser „Frage aller Fragen“ die denkbar kläglichste, und wirkt vermöge seiner hohen Autorität sehr schädlich! ||
Ob ich meine (allgemein gehaltenen) „Reise-Eindrücke aus Rußland“ noch zu Papier bringe, wozu ich schon mehrere Ansätze gemacht habe, hängt von Muße und Stimmung ab! Sollten sie druckwürdig ausfallen so werde ich an Sie denken!
Nächsten Sonntag reise ich auf 3–4 Wochen nach Baden-Baden und werde Ihnen meine dortige Adresse alsbald mittheilen, auch die Correctur sofort erledigen.
Mit besten Grüßen an Sie und an Ihre verehrten Damen
Ihr treu ergebener
Ernst Haeckel.