Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Thomas Henry Huxley, Jena 21. September 1868

21 Sept. 68

Mein lieber Huxley!

Durch Dr. Dohrn erfahre ich so eben, dass die Ray Society beabsichtigt, eine englische Ausgabe von meiner generellen Morphologie zu veranstalten, und dass Sie dieselbe gütigst fördern wollen. Es wird mir natürlich höchst erwünscht sein, wenn diese Übersetzung zu Stande kömmt, und ich bin sehr gern bereit, alle gewünschten Verbesserungen – und namentlich bedeutende Abkürzungen daran vorzunehmen. Mein Verleger (Reimer in Berlin), an den ich deshalb bereits geschrieben habe, hat Nichts dagegen einzuwenden. Die grossen Mängel und Fehler meines Buches, welche ich jetzt bei ruhigerem Blute selbst einsehe, und welche von meinen Freunden übereinstimmend gerügt werden, würde ich natürlich für die englische Ausgabe corrigiren, und wesentlich folgende Veränderungen an der generellen Morph.ologie vornehmen: ||

1) Reduction des Umfangs auf ⅔ bis ½.

2) Stärkere Hervorhebung der Hauptsachen durch grösseren Druck, der Erläuterungen durch kleineren Druck. 3) Entfernung aller persönlichen Polemik und Angriffe. 4. Entfernung aller nicht streng zur Sache gehörigen Bemerkungen. Das Buch würde dadurch einen strenger wissenschaftlichen Character erhalten. Vielleicht würde ich auch eine Abtheilung des Inhalts nach Paragraphen empfehlen. Doch weiss ich nicht, ob die §§ dem englischen Publicum angenehm sind. Falls die Übersetzung nicht durch einen Fachmann geschieht, würde ich natürlich darum bitten, dass ein solcher die Correctur-Bogen vor dem Druck liest, und bei weitem das Liebste wäre es mir, wenn Sie selbst dieselben schliesslich erst einmal durchsehen und vielleicht durch ein Vorwort das Buch in England einführen wollten. Doch weiss ich, dass Ihre vielseitige und rastlose Thätigkeit Ihnen wohl schwerlich dazu die nöthige Zeit lassen wird, und wage daher auch kaum, diese Bitte zu stellen. ||

Sehr erwünscht würde es mir auch sein, wenn die Ray Society einige Tafeln mehr (oder auch eine geringe Anzahl von Holzschnitten in den Text) bewilligen wollte, um einige der wichtigsten Formen näher zu erläutern, namentlich einige Grundformen, die Moneren etc. Wesentlich umarbeiten würde ich auch das genealogische System in der Einleitung zum II. Band. – Die populären Vorlesungen über „ natürliche Schöpfungsgeschichte“, welche Sie in diesen Tagen erhalten werden, sind im Wesentlichen eine gemeinverständliche und auf einen grösseren Leserkreis berechnete Ausarbeitung des neunzehnten Capitels der gen. Morph. und zugleich ein Auszug aus der systematischen Einleitung zum II. Band. Die Stellung der Spongien zu den Coelenteraten, welche ich darin aufgenommen habe, scheint mir jetzt kaum mehr zweifelhaft. Mein Assistent, Miklucho, hat jetzt darüber ausführlichere Untersuchungen angestellt, welche auch zum Theil in dem vorletzten (II) Heft unserer Zeitschrift stehen. || Ich bin jetzt mit Ausarbeitung der Theorie vom Ursprung der Echinodermen (Asteriden aus Würmerstöcken) beschäftigt. Ich glaube, wenn ich mich recht erinnere, einmal irgendwo eine Notiz gelesen zu haben, dass Sie selbst die Verwandtschaft der Echinodermen und Würmer bereits früher hervorgehoben haben. Wo ist diese Ansicht gedruckt? Können Sie mir vielleicht einen Abdruck davon schicken? Ich habe jetzt wieder neue Beweise gefunden, welche es mir höchst wahrscheinlich machen, dass die Asteridern die Ausgangsformen der übrigen Echinodermen, und selbst aus Würmerstöcken entstanden sind. In Ihren „Lectures on comparative Anatomie“ (p. 79) finde ich zwar auch die Scoleciden und Echinodermen zusammengestellt, kann aber den Hinweis auf Ihre früheren Mittheilungen darüber nicht finden. – Besitzen die Londoner Sammlungen keine Abdrücke von fossilen Medusen aus dem lithographischen Schiefer von Sohlenhofen? Ich habe mir kürzlich aus München eine ganze Sammlung von fossilen Medusen (und sogar Siphonophoren!!) geholt, welche ich jetzt zusammen beschreiben werde. Mit den freundlichsten Grüssen an Sie selbst und an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin

Ihr treuer Haeckel

Da ich nicht weiss, wo Dr. Dohrn jetzt in England ist, darf ich Sie wohl bitten, die Einlage an ihn zu besorgen.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
21.09.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Imperial College London
Signatur
Huxley papers, General correspondence, Inv.Id. 17.189. Box No. 17 Series 1h
ID
40330