Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Thomas Henry Huxley, Jena, 11. August 1868

Jena 11 Aug. 68

Mein lieber Huxley!

Eine starke Überhäufung mit Arbeiten lässt mich erst heute dazu kommen, Ihnen zu schreiben, und Ihnen vor Allem den herzlichsten Dank zu sagen für Ihre erfolgreichen Bemühungen bei der „Royal Society“. Vorgestern ist die ganze Reihe der „Philosophical Transactions“ hier eingetroffen, und hat Gegenbaur und mich in wahres Entzücken versetzt. Wir wissen den hohen Werth dieses kostbaren Geschenkes in unserem armen Jena voll zu schätzen; und sagen Ihnen beide unseren besten Dank, ebenso auch für die gütige Vermittelung der Zusendung von Kitchen Parkers „Shoulder-Girdle and Sternum.“ Das officielle Dankschreiben an die Royal Society von Seiten unserer Gesellschaft und Universität wird im nächsten Semester erfolgen, sobald die Ferien vorüber sind. ||

Ich habe diesen Sommer vorzüglich mit Herausgabe der Vorlesungen über „natürliche Schöpfungsgeschichte“ zugebracht, welche ich hier im vorigen Winter gehalten habe und stenographieren liess. Es ist ein starker Octavband von 35 Bogen geworden. Die genealogischen Tafeln der „Generellen Morphologie“ erscheinen darin in verbesserter Auflage. Ich habe mich bemüht, nach Ihrem vorzüglichen Vorbilde, die Vorträge möglichst populär zu halten, und so auch dem grösseren Publicum zugänglich zu machen. In 4–6 Wochen werden Sie das Werk erhalten. Ich bin jetzt mit den letzten Correcturbogen

beschäftigt.

Meine Untersuchungen über „Entwickelungsgeschichte der Siphonophoren“ hatte ich an die Akademie in Utrecht eingesandt, und habe || dafür jetzt eine goldene Medaille erhalten. Sie werden, von 14 Tafeln begleitet, in den Verhandlungen dieser Gesellschaft erscheinen, doch wohl erst im Laufe des nächsten Jahres.

Mein kleiner Aufsatz über „Entstehung und Stammbaum desMenschengeschlechts“ hat bei meinen orthodoxen Landsleuten, auch selbst bei einigen hier in Jena, vielen Unwillen erregt, und einige meiner Gegner haben dieselbe sogar als Hebel benutzen wollen, um mich hier von meiner akademischen Stellung in Jena zu vertreiben. Indessen hoffe ich doch vorläufig noch ziemlich fest zu sitzen, und werde nicht so leicht mich fortjagen lassen.

Die übermässige Arbeit dieses Sommers hat meine Gesundheit etwas angegriffen. Ich leide oft an Herzklopfen, Kopfweh und Magencatarrh. || Daher werde ich in 5 Tagen (am 16. August) auf 3–4 Wochen nach Tyrol (Fassathal und Gardasee) gehen, um mich zu erholen. Ich bedarf sehr einer völligen Erholung.

Dohrn ist nach Schottland gegangen und geht den Winter mit Miklucho nach Messina. Er ist noch zu rechten Zeit zur Einsicht gekommen, dass er sich mit seiner „Genealogie der Arthropoden“ übereilt hatte und hat das Buch vor der Herausgabe zurückgezogen. Ich halte das für ein wahres Glück, und hoffe, dass er dadurch vorsichtiger werden und mehr Selbstkritik üben wird. Es wäre sonst Schade um seine schönen und vielen Talente.

Gegenbaur schickt Ihnen mit mir seinen besten Dank und Gruss. Mit der Bitte, mich Ihrer hochverehrten Frau zu empfehlen, stets

Ihr treuer

Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
11.08.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Imperial College London
Signatur
Huxley papers, General correspondence, Inv.Id. 17.187. Box No. 17 Series 1h
ID
40329