Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Konrad Deubler, Jena, 18. Juli 1881

Jena 18 Juli 81.

Lieber Freund Deubler!

Sie dürfen mit Recht böse sein, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe. Wenn Sie aber wüßten, wie ich mit dringlichsten Arbeiten und Geschäften seit Monaten überlastet bin, würden Sie mir verzeihen. Wie ich Ihnen schon aus Berlin schrieb, rüste ich mich zu einer großen Reise. Ich werde im September über Egypten nach Indien reisena und den Winter über in Ceylon arbeiten; hoffentlich im April 82 mit Schätzen reich beladen zurückkehren. || Da es seit 30 Jahren mein sehnlichster Wunsch war, die Wunder der Tropen-Natur zu sehen, so freue ich mich sehr auf dessen endliche Erfüllung. Ich habe jetzt zu diesem Zwecke ölmalen, photographiren und schießen gelernt! Leider b werde ich die kostspielige Reise in einfachster Form machen müssen, da ich keinerlei Unterstützung erhalte. Meine Freunde in der Berliner Akademie der Wissenschaften hatten mir dazu das „Humboldt-Stipendium“ versprochen (15,000 Mk). || Aber auf Antrag von Du Bois-Reymond („Ignorabimus“!), von Virchow (München, 1877) und von Reichert wurde beschlossen, daß ich als „Darwinist, Monist und Atheist“ dessen unwürdig sei! Das kommt so, wenn man es wagt, die Wahrheit offen zu sagen! – In Brüssel auf dem „Freidenker-Congress“ bin ich übrigens nicht gewesen; es befand sich darunter recht unlautere Gesellschaft! – Da ich bis zum Antritt meiner c Reise nach Ceylon noch alle Hände voll mit Vorbereitungen zu thun habe, so kann ich leider nicht nach Salzburg kommen. ||

Meine Frau läßt freundlichst grüßen. Sie hatte sich mit mir sehr gefreut, Sie endlich in diesem Sommer einmal wieder besuchen zu können. Nun wird leider wieder Nichts daraus und wir müssen uns auf das nächste Jahr vertrösten. Um so mehr kann ich Ihnen dann von Indien erzählen!

Für die Photographie Ihres schönen Ateliers sage ich Ihnen noch besonders herzlichen Dank. Hoffentlich werde ich es noch öfter besuchen.

Mit freundlichsten Grüßen stets Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel

a korr. aus: Reise; b gestr.: bek; c gestr.: SCehlon RCeylo

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.07.1881
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Österreichische Nationalbibliothek Wien
Signatur
Cod. Ser. n. 55064 HAN MAG
ID
40231