Jena 30. März 1899.
Durchlauchtigster Herr Herzog!
Gestatten mir Ew. Hoheit, Ihnen zu Ihrem Geburtstage, der diesmal auf den Ostersonntag fällt, meine herzlichsten Glückwünsche nach der Riviera zu senden. Ich hatte gehofft, Ihnen dieselben vielleicht mündlich aussprechen zu dürfen; sehr gern wäre ich ihrer gütigen Einladung gefolgt, Sie dort zu besuchen.
Aber leider ist die Osterferien-Reise ein schönes Project geblieben; ich muß diese Zeit zur Vollendung einer schwierigen anthropologischen Arbeit benutzen, die um jeden Preis bis zum Mai fertig gestellt werden muß. ||
Meinen herzlichsten Dank sage ich Ew. Hoheit für die gütige Aufnahme und Förderung meiner „Kunstformen der Natur“. Das Unternehmen, dessen Ausführung mir viel Freude und Mühe macht, scheint sehr freundliche Aufnahme zu finden. Ich habe sehr viele zustimmende, oft fast gleichlautende Briefe erhalten, besonders von sachverständigen Personen, auf deren Urtheil ich Werth lege. Ich hoffe in diesem Jahre noch drei Hefte publiciren zu können. Das zweite Heft ist nahezu fertig; ich werde mich beehren es Ihnen im Mai zu übersenden. ||
Hoffentlich genießen Sie den Osterfrühling an der herrlichen Riviera beim schönstem Wetter und in frischer Gesundheit. Unser liebes Thüringen seufzt jetzt noch unter einem harten Nachwinter, nachdem der übermäßig warme Februar bereits Frühlings-Ankunft vorgeschwindelt hatte.
Seit acht Tagen hatten wir nachts -8−10° R. Kälte, mit tüchtigem Schneefall. Seit gestern ist plötzlich Wechsel eingetreten, mit warmem Südwind.
Mit der Bitte, mich Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin bestens zu empfehlen, bleibe ich in aufrichtigster Verehrung und Dankbarkeit
Ihr ganz ergebener
Ernst Haeckel.