Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Baden-Baden, 18. April 1901
Baden-Baden 18. April 1901.
Durchlauchtigster Herr Herzog!
So eben erhalte ich durch die Post einen Brief von der Agentur des Nordd. Lloyd in Genua, und in demselben eingeschlossen das Telegramm, das Sie vor drei Tagen an mich zu richten die Güte gehabt hatten. Ich beeile mich nun, Ihnen meinen herzlichsten Dank dafür, und zugleich für Ihre liebenswürdige Einladung zu einem Besuch in Villa Carlotta zu sagen. Ich würde derselben mit besonderer Freude gefolgt sein; aber leider hat das tückische Geschick, das meine wechselvolle Reise nach Insulinde begleitete, diesen schönen Wunsch vereitelt. ||
Die Verletzung des Knie-Gelenks, die ich mir durch einen unglücklichen Fall in Sumatra am 25. Januar zugezogen hatte, ist nur sehr langsam und unvollständig zurückgegangen. Als ich auf dem vortrefflichen N. Lloyd-Schiffe „Kiautschou“ – auf dem mich der Schiffsarzt Dr. Specht, ein treuer früherer Schüler, sorglichst pflegte, – die Rückreise bis Suez vollendet hatte, war das Bein noch so steif, daß ich meinen Plan, 14 Tage in Egypten zu bleiben, aufgeben mußte – und ebenso als ich am 31. März in Neapel, am 1. April in Genua anlangte. ||
Ich entschloß mich daher, sofort hierher nach Baden-Baden zu fahren und zu versuchen, durch eine energische Cur (schwedische Heil-Gymnastik und Dampfbäder, täglich 3 Stunden) das steife Bein gelenkiger zu machen. Das ist denn auch gelungen, und ich bin jetzt, nachdem ich die Cur 14 Tage durchgehetzt, bereits im Stande, ein Stündchen täglich (langsam!) spazieren zu gehen. Ich hoffe, in 8 Tagen nach Jena zurückzukehren und am 30. April meine Vorlesungen beginnen zu können. Ob ich ganz wieder in integrum restituirt werde, ist bei meinem Alter von 67 Jahren freilich noch die Frage. ||
Leider herrscht hier, wie im größten Theile von Mittel-Europa, noch andauerndes Winter-Wetter; morgens 4−6°, mittags 10−12°R; dabei fortwährend Sturm und Regen. Hoffentlich ist das jenseits der Alpen besser, und genießen Ew. Hoheit jetzt in Ihrer herrlichen Villa Carlotta den ganzen Reiz des südlichen Frühlings.
Indem ich Ew. Hoheit und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin meine ergebensten Grüße und besten Wünsche – auch für die nachfolgende Reise – sende, bleibe ich in aufrichtigster Verehrung und Dankbarkeit
Ihr ganz ergebener
Ernst Haeckel.