Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Jena, 22. Februar 1894
Jena | 22. Februar 1894.
Durchlauchtigster Herr Herzog!
Ew. Hoheit haben mir durch Ihren liebenswürdigen telegraphischen Glückwunsch zu meinem 60.sten Geburtstage, und ganz besonders durch die ehrenvolle Form, in welcher Sie Ihren gütigen Gesinnungen Ausdruck gegeben haben, eine außerordentliche Freude bereitet, und ich statte Ihnen dafür meinen herzlichsten Dank ab. ||
Über die Feier, welche meine Freunde und Schüler zu diesem Tage veranstaltet hatten, werde ich mir erlauben, Ihnen einen gedruckten Bericht zuzusenden; sie verlief über alle Erwartung schön und wurde durch keinen Mißton getrübt. So wenig ich sonst derartige Festlichkeiten liebe, und so wenig ich auch nach äußerer Anerkennung strebe, so hat mich doch in diesem besonderen Falle die Kundgebung aufrichtiger Achtung und Liebe von Seiten so vieler alter Freunde und auch unbekannter Gesinnungsgenossen hoch erfreut. ||
Die Erinnerung an die gewaltigen Fortschritte der Wissenschaft im letzten halben Jahrhundert, und die Genugthuung darüber, daß es mir vergönnt war, ein Wenig dabei mitzuwirken, haben mich in diesen Tagen auch mit besonderem Danke gegen die Durchlauchtigsten Erhalter der Universität Jena erfüllt, welche mir hier seit 33 Jahren eine Stätte freier Forschung und freier Lehre gewährt haben. Daß Ew. Hoheit mit meiner hiesigen academischen Wirksamkeit zufrieden sind, gereicht mehr dabei zur besonderen Ehre. ||
Entsprechend der gütigen Erlaubniß, welche Ew. Hoheit mir gegeben haben, werde ich mir gestatten, Sie im herannahenden Frühjahr zu besuchen und Ihnen noch persönlich meinen Dank auszusprechen. Da ich den März und April zur Vollendung einer größeren Arbeit benutzen muß, bleibe ich die Oster-Ferien über hier.
Mit der Versicherung aufrichtigster Verehrung
Ew. Hoheit ganz ergebener
Ernst Haeckel.