Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Richard Semon, Jena, 19. Dezember 1913.

Jena 19.12.13.

Lieber Freund!

Nach Empfang Ihres heutigen lieben Briefes habe ich sogleich Herrn Dr. Gustav Fischer um einen Besuch gebeten. Er war so eben (Freitag Nachm. 5 Uhr) bei mir. Ich habe ihm das Dankschreiben unseres Redaktions-Komitees (von Ihnen, Fürbringer und mir unterzeichnet) mit einer entsprechenden mündlichen Danksagung übergeben. Er war sehr erfreut und mit der glücklichen Vollendung Ihres großartigen Australischen Forschungswerkes sehr zufrieden – auch mit dem Absatz. Von den 300 Druck-Exemplaren sind nahezu 100 verkauft. Von Fürbringer’s Schluß-Resüme hat er eine größere Zahl separat drucken lassen, von denen ich auch 20 in alle Welt (als Reklame) schicken werde. ||

Ob Sie an unseren früheren Gönner, Dr. Paul von Ritter, bei dieser Gelegenheit ein (kurzes) Dankschreiben richten – oder nicht – überlasse ich Ihrem Ermessen. Wenn Sie es tun, könnten Sie ja (– beiläufig –) des glücklichen Zustandekommens des Phyletischen Museums erwähnen, das ganz seinen idealen Wünschen entspricht – für das er aber leider nichts beigesteuert hat! Sein völlig räthselhaftes Verhalten mir gegenüber kann für Sie gleichgültig sein. Nachdem wir 16 Jahre lang im freundschaftlichen Verkehr gestanden hatten, brach er ihn im Januar 1903 plötzlich schroff ab, ohne jede Motivierung oder erkennbare Veranlassung. || Wahrscheinlich liegt eine Intrigue seiner alten Böhmischen „Hausdame“ (Kathi/Erbschleicherin) zu Grunde? Unser alter umsichtiger Kurator Eggeling (– der die Verhältnisse der P. R. Stiftung am besten kannte) meinte dagegen, daß der frühere „Ritter Professor“ Ziegler dahinter stecke. Tatsächlich ist dieser bis heute mit P. v. Ritter (– falls er noch lebt??) in engem freundschaftlichen Verkehr geblieben.

– Über das unglaubliche Verhalten meines l. Nachfolgers Plate habe ich mich jetzt, nach 4 Jahren, glücklich hinweggesetzt. Es geht ja so Vieles im Leben schief – und ganz anders als man gehofft hatte! Also muß man sich mit monistischer Philosophie in Resignation trösten und dankbar das bleibende Gute anerkennen, das man – allen Hindernissen und Enttäuschungen zum Trotze – dennoch erreicht hat. ||

Eggeling, der über Plates Verfahren aufs Höchste empört war, tröstete mich mit Goethe’s Worten: „Übers Niederträchtige Niemand sich beklage; ’s bleibt das Übermächtige, was man dir auch sage“! –

– Also „Schwamm drüber“! –

Ebenso auch über die „Lieben treuen und dankbaren Schüler“, die „Mikromechaniker“ Oscar Hertwig (kläglich!), Roux etc. Bewunderer haben sie ja in Hülle und Fülle!

– Die beiden Söhne unsers lieben alten Giltsch machen sich recht brav. Das Geschäft blüht.

Mit besten Grüssen

treulichst Ihr alter

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.12.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Bayerische Staatsbibliothek München, Abt. für Handschriften und Seltene Drucke
Signatur
Cgm 8032
ID
39880