Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Ernst Ehlers, Jena, 9. November 1895

Jena | 9. Novbr. 1895.

Lieber Ehlers!

Zu Ihrem 60.sten Geburtstage sende ich Ihnen in alter Freundschaft meine herzlichsten Glückwünsche, und lege Ihnen zugleich den III. Band meiner „Systematischen Phylogenie“ (Wirbelthiere) auf Ihren Geburtstagstisch. Als ich selbst vor 1¾ Jahren dieselbe Altersschwelle überschritt, betrachtete ich dieselbe als Beginn der senilen Degeneration (oder milder gesagt: Involution). || Ich hoffe und wünsche von Herzen, daß derartige melancholische Reflexionen bei Ihnen nicht nöthig sind.

Bei mir sind sie leider sehr gerechtfertigt; ich habe den Eindruck, daß mit jedem weiteren Lebensjahre die Zahl der bitteren Erfahrungen, getäuschten Hoffnungen und zerstörten Illusionen größer wird. Was wir mit bestem Willen und idealem Streben in der Jugend zu erreichen wünschten u. hofften, nimmt sich leider im Alter recht kläglich und wenig erfreulich aus. || Gesundheits-Mängel, Familien-Sorgen, Wissenschafts-Kram und Schüler-Ärger (Hamann! Haacke! Dreyer! Kleinenberg etc) werden größer, statt kleiner!

Mit großem Bedauern habe ich gehört, daß auch Sie durch den Tod Ihrer lieben Tochter einen so schweren Verlust erlitten haben.

Ich selbst war jetzt 4 Monate krank, an den schmerzhaften Folgen eines complicirten Beinbruchs.

Mit freundlichsten Grüßen (auch an Ihre Frau Gemahlin) in alter Freundschaft

Ihr Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
09.11.1895
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
SUB Göttingen, Handschriften und Nachlässe
Signatur
Cod. Ms. E. Ehlers 661 (9)
ID
39677