Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 16. August 1883
Dorf Goisern den 16 August 1883.
Hochverehrter Freund!
Wenn ich nicht so vielle Beweisse von Ihrer Freundschaft für mich schon Erfahren häte, so würde ich glauben das Sie den brieflichen Verkehre mit a mir ganz abzubrechen wünschen. Obgleich ich das Gefühl der Unwürdigkeit selbst einsehe, so würde doch ein solcher Gedanke, von Ihnen zurückgestossen geworden zu sein, mich wirklich unglüklich – sehr Unglüklich machen! Da ich aber weiß, wie sehr Ihre Zeit immer in Anspruch genohmen wird, so bleibt mir noch stets der Trost übrig das Sie gewiß auf Ihren alten fernenn, treuen Freund noch nicht vergesen haben, der Sie sob sehr liebt und Hochschätzt, und Sie gleich wie ein Christ als wie seinen Gott Verehrt! ||
Es ist gerade wieder ein Jahr, das ich Ihnen das lezte Lebewohl und den lezten Händedruck von Ihnen erhalten habe; Ich hoffe ganz gewiß, daS ich Sie edler Menschenfreund nochmahls begrüssen werde!
So sehr in gegenwärtiger Zeit in ganz Europa der Rükschrit ins Mittelalter auf der Tagesordnung zu sein scheint, so geht doch ganz im stillen u. Geheimen die Keime die Sie mit Darwin u. Feuerbach gesäet haben auf. Die Häutung oder Durchbrechung dieser diken Schneedeke wird und muß erfolgen nach den nähmlichen Mechanischen Naturgesetzen, die, die Sonne u. Planeten und Infusionsthierchen regiert! Durch das Studium Ihrer Schriften habe ich in meinen alten Tagen eine solche Klarheit, eine solche früher nie geahnte Gemüthsruhe bekomen, das ich ohne Angst und Bangen den lezten Lebensakt entgegen sehe, der mich in die Arme unserer Allmutter Natur || zurük bringen wird!
Ich, und meine dike Nandl leben noch immer gesund und zufrieden auf unsern einsamen Alpenhäuschen auf den Primesberg.
Und wünsche nur, das Sie mich bald mit ein paar Zeilen von Ihren jezigen Befinden zu senden möchten.
Lassen Sie mich keine Fehlbitte thun! Grüssen Sie mir Ihre liebe Frau und behalten Sie mir Ihre mir so kostbare in meinen Alten Tage so unentbehrliche Freundschaft.
Leben Sie wohl
Ihr treuer alter Freund
Konrad Deubler.
a gestr.: mit; b eingef.: so