Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Friedrich von Hellwald, Jena, 24. Februar 1874

Jena, 24. Februar 74.

Hochverehrter Herr und Freund!

Durch Ihre freundliche Absicht, mir Ihr Werk über „Culturgeschichte“ widmen zu wollen, haben Sie mir eine eben so hohe Ehre als Freude bereitet. Je mehr sich in neuester Zeit die Angriffe auf mein wissenschaftliches Streben häufen, besonders seitdem ich durch den offenen Anschluss an den „neuen Glauben“ von Strauß die letzte Consequenz der monistischen Anschauung gezogen, desto erfreulichere Genugthuung muss ich empfinden über die täglich sich mehrenden Beweise der Anerkennung und Theilnahme Derer, die mit mir das gleiche Ziel verfolgen.

Wenn Sie es daher im Interesse der Sache und Ihres Werkes selbst für gerathen erachten, meinen Namen demselben vorzusetzen, so nehme ich diese ehrenvolle Widmung mit Dank und Freude an; und ich erblicke darin die Gewähr, dass die neue Richtung und Darstellungsweise, welche Sie in Ihrem Werke der Culturgeschichte geben, mit derjenigen der wahren monistischen Naturphilosophie zusammenfällt, wie sie in den Werken unserer ersten Naturforscher lebt, und wie ich auch in der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ versucht habe, sie in einheitlichem Umrisse darzustellen.

Freilich besitze ich selbst um die Culturgeschichte nur sehr geringe und in dem strengeren Sinne der Fachwissenschaft gar keine Verdienste. Von diesem Gesichtspunkte aus wird Ihre freundliche Widmung gewiss die Missbilligung der echten „Fachgelehrten“ finden, und ich gebe Ihnen zu bedenken, ob Sie sich derselben aussetzen wollen.

Wollten Sie dennoch auf Ihrer freundlichen Absicht beharren, so würde ich es – da Sie mir die Wahl gestatten – vorziehen, erst nach Vollendung des ganzen Werkes bei demselben Pathenstelle zu vertreten. Wenn mein Name schon auf der ersten Lieferung stünde, könnte dies leicht für uns Beide missliebig gedeutet werden.

Hinsichtlich der versprochenen Orient-Skizzen muss ich Sie noch um einige Geduld bitten. Ich kann dieselben erst in Angriff nehmen, nachdem ich das gegenwärtig im Druck befindliche embryologische Werk, das mir viel schwere Arbeit kostet, vollendet habe. Ich hoffte schon zu Weihnachten damit fertig zu sein, und nun wird wohl Pfingsten herankommen.

Indem ich Ihnen nochmals für Ihre freundschaftliche Güte meinen herzlichsten Dank abstatte und Ihrem Werke den besten Erfolg wünsche, bleibe ich

mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr treu ergebener

Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
24.02.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
Signatur
EHA Jena, A 39564
ID
39564