Ernst Haeckel an Friedrich von Hellwald, 20. August 1873
Jena, 20. August 73.
Hochgeehrtester Herr!
Da ich leider meinem in Wien gegebenen Versprechen, Ihnen einen Bericht über meine Orient-Reise für das „Ausland“ zu schicken, wegen Überhäufung mit Arbeiten immer noch nicht habe nachkommen können, will ich doch nicht versäumen, Ihnen als Zeichen meines bösen Gewissens, noch mehr aber meiner vorzüglichen Hochachtung und der Dankbarkeit für die wackere Mitarbeiterschaft des „Ausland“ im „Kampf um die Wahrheit“ beifolgend ein Exemplar der soeben erschienenen IV. Auflage meiner „Schöpfungsgeschichte“ zu schicken. Gleichzeitig sende ich Ihnen ein Schriftchen mit, welches ein Franzose, Herr Léon Dumont, über die Entwicklungstheorie in Deutschland geschrieben hat, meines Wissens die erste ausführliche Arbeit aus Frankreich, die den Gegenstand sehr unparteiisch und mit vollem Verständniß der principiellen Bedeutung behandelt. Dies ist um so mehr anzuerkennen, als bekanntlich alle älteren und berühmten französischen Naturforscher sich rein ablehnend gegen den Darwinismus verhalten.
Sollte ich im Herbste noch Zeit finden, so würde ich Ihnen sehr gerne für das „Ausland“ Etwas über meine Orient-Reise schreiben, die außerordentlich glücklich verlief und reich an den interessantesten Beobachtungen war. Allerdings will auch Herr Dr. Neumann in Wien einen Bericht für die „Neue Freie Presse“ haben. Allein Sie haben, so viel ich mich erinnere, die Priorität des Anspruchs.
Mit ausgezeichnetster Hochachtung
Ihr ergebenster
Haeckel.
P. S. Darf ich um Ihre Photographie bitten?