Deubler, Konrad

Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 26. Juli 1878

Dorf Goisern den 26 July 1878.

Mein theurer hochverehrter Freund!

Ihre zwei werthvollen herrlichen Geschenke habe ich erhalten, und sage Ihnen hiemit meinen wärmsten Dank dafür.

Gegenwärtig habe ich einfacher Gebürgsbewohner öfters Anwandlungen, wo ich Schopenhauer nicht so ganz Unrecht gebe, wenn er diese Welt als die miserabelste, die sich denken läßt, schildert. Wenn ich jetzt Preussen, ja das ganze Volk der Denker in Ihrem Leben und Treiben mit ansehe, so werde ich oft für Augenblüke zum Verächter dieser zweibeinigen Wirbelthiere! In diesen Wirrwarr von Wissenschaftlichen Meinungen und Politischen Ansichten, ist der Ruf eines Mannes der in seiner geistigen Grösse Hoch über Milionen altagsmenschen überragt, ein wahres Labsall – ein wahrer Trost. ||

Mein Neugebautes Häuschen auf den Feuerbach Hügel steht noch immer unbewohnt volkomen zum Einziehen vorbereitet da, und [wird] so lange unbewohnt bleiben, bis einmall Siea selbst kommen, und wenigstens einige Tage darinen wohnen werden. Was den Gläubigen sein Christus, wenn er singt: Meinen Jesum laß ich nicht, das sind Sie mir! Feuerbach, Darwin und Häkl – werden noch in fernern Zeiten mit Begeisterung gelesen werden, und man wird Sie mit den Worten gedenken:

„Wenn der Leib in Staub zerfallen,

Lebt der große Name fort.“

Mir ist unendlich leid, das Ihnen diesen Sommer keine Zeit übrig bleibt um unser schönes Salzkamergut besuchen zu können.

Empfangen Sie schließlich Edler Menschenfreund noch einmahl meinen herzlichsten Dank für die mir geschükten Schriften, und mit wahrer Hochachtung die Versicherung meiner Liebe und Freundschaft! Behalten auch Sie mich in Zukunft Ihrer für mich || so kostbare Freundschaft und Liebe!

Grüssen Sie mir Ihre liebe Frau, und denken Sie manchmals an Ihren fernem Freund, der Sie so Hochachtet und Verehrt.

Ich lebe mit meinem Weibe gesund, glücklich und zufrieden in meinen Alpenhäuschen auf den Primesberg. Gegenwärtig wohnt bey mir ein Jude – aber was für einer! Er ist Direktor des Blinden-Instituts auf der Hohenwarte nächst Wien. Er ist auch einer von „unsere Leut“ die Dr. Strauß mit dem Namen „Wir“ bezeichnet.

Nun leben Sie wohl und bewahren Sie mir Ihre Freundschaft. Mögen auch Sie wohl und Glüklich mit den lieben Angehörigen sein. Denn Trotz Schopenhauer ist Glükseligkeit der letzte Zweck und Sinn alles menschlichen Thuns und Denkens!

Hochachtungsvoll

Ihr dankbarer treuer Freund

Konrad Deubler.

a eingef.: Sie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.07.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3954
ID
3954