Deubler, Konrad

Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 1. Februar 1874

Dorf Goisern, den 1n Februar 1874.

Lieber guter Herr Professor!

Sie haben mir mit Ihrem freundlichen Brief eine grosse Freude gemacht, ich danke Ihnen recht herzlich für Ihr Bild! Ich habe es mir gleich in meine Samlung eingereihet, da habe ich alle warhaft großen Männer, deren Schriften ich besitze und mit Ihren Ideen und Forschungsressultaden ich ganz überein stimme (das heißt, so weit ich sie verstehe.) Wenn ich dann Ihre Werke durchlese, und nachdem Ihr Bild ansehe, so ist es mir dann, als schaunte ich in das Gesicht eines guten Freundes. Sie haben sicherlich in Ihrem ganzen Leben niemals jemandem mit Ihrer Photographie eine so grosse Freude gemacht als mir. Und was mir besonders einen hohen Gennuß verschafft hat, ist ein Buch das Sie in der Vorrede zu dritten Auflage erwähnten: „Sittlichkeit und Darwinismus“ von B. Carneri. Der Verfasser der gediegenen Schrift „Über den freien Willen und die Einheit der Naturgesetze || v. J. C. Fischer, hat mir dieses Buch foriges [Jahr] von Wien geschikt, bey Durchlesung Ihrer Schöpfung wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dieser B. Carneri gefählt mir überaus, nur bey erwähnung von Christus und der Schöpfungssage von Mosses ähnlicht er mir an die Rationalisten. Seien Sie nicht böße lieber Herr Professor das icha so zudringlich Ihnen mich aufdränge – Mein Alleinstehen in meinen Niederm Stande als Landsmann in einen Östereichischen Gebürgsdorfe wird mich bey Ihnen hinlänglich Entschuldigen, seid mir Roßmäsler und Feuerbach gestorben sind, habe ichb keinen mehr an den ich mich wenden könnte, von lesen allein wird man zu einseitig. Solche Männer und ächte Muthige Naturforscher wie Sie, wirds in Deutschland kaum geben! Da hate ich einen Sturmeerprobten Freund in Dr. Eduard Reich, seine Schriften die ich mir zum theil gekauft, einige hat er mir geschenkt, wie zum beispiel „Der Mensch u. die Seele“ seine Naturgeschichte des Menschen“ u. s. w. haben mich höchst Interesiert, voriges Jahr gibt dieser nähmliche Dr. Reich eine Broschüre heraus „Die Kirche der Menschheit“ – Armer Reich! ||

Vor 14 tagen erhielt ich einen Brief von der einzigen Tochter Feuerbachs aus Nürnberg, worinne sie mich ersucht, ich möchte sämtliche Briefe die ich von ihrem Vater in Händen habe nach Wien an einen Dr. Karl Grün einschicken, er würde den Nachlaß ihres Vaters ordnen, und dann im Druck herhausgeben. Ich habe ihm nun alle zugeschickt, ich bin neugierig, was, und wer dieser Karl Grün ist? und ob er den Geiste Feuerbachs gerecht wird!

Der grosse Wahlkampf bey euch in Deutschland läßt wenig hoffnung auf baldigen Sieg über das Pfaffenthum, Ich verzweifle es noch zuc erleben das der Geschichte ein Ende gemacht wird.

Wie es bey uns in Östereich mit der Religiösen Frage steht, wissen Sie besser als ich. Östereich hat keine Kultur, sondern nur Kulturen, und selbst ein Bismarck könte schwerlich eine Kultur bey uns anbahnen. Aber der Civilisation stände bey uns nirgends natürliche Hindernisse im Wege. Vor allem solte man bey uns sich der Einmischung der Kirche in die Privatangelegenheiten der Bürger erwehren können, vor allem solte man die Zivil-||ehe einführen. Bald wird bey euch in Deutschland der Kampf mit der Kirche in hellen Flamen auflodern, und wir Östereicher werden wieder vor einer jener grossen Entscheidung stehen, die es in der Regel unvorbereitet treffen – weil bey uns in den höheren Kreisen die wahre Bildung fehlt. Möge bald die Stunde der Erlösung schlagen, wo wir Deutschen in Östereich zu unserer Mutter Germania zurückkehren dürffen – geschehen wird es einmal trotz Pfaffen und Gendsdarmen!

Als Sie im Jahre 1855 als Student unser schönes Salzkamergut durchreisten war ich noch in Brünn in Eisen und Ketten als ein der Menschlichen Gesellschaft sehr gefährliches Subjekt –.

Sollten Sie Ihre Hofnung zu einer Reise in unsere schönen Alpberge künftigen Sommer Reallisieren können, so machen Sie mich zum glücklichsten Menschen wenn Sie bey mir einige Wochen in mein Alpenhause gleich wie einst Feuerbach einige Wochen bleiben. Lassen Sie mich nicht vergebens auf Ihren baldigen Besuch hoffen!

Ihrem Wunsche zufolge lege ich Ihnen mein Hauß und meine Photografie bey. Noch einmahl herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief und Bild.

Ihr dankbarer Verehrer

Konrad Deubler.

a eingef.: ich; b eingef.: ich; c eingef.: zu

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
01.02.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3942
ID
3942