Ernst Haeckel an Alfred Dieterich, Jena, 20. Dezember 1908

Jena 20.12.1908.

Hochgeehrter Herr!

Ihre Wünsche betreffs der Darwin-Feier am 12.2.09 kann ich zu meinem aufrichtigen Bedauern nicht erfüllen. Durch einen unglücklichen Fall am 11. December habe ich mir eine schmerzhafte Knie-Gelenk-Entzündung zugezogen, die mich zwingt längere Zeit (einige Monate?) gestreckt im Bett zu liegen. Ich bin dadurch an jeder litterarischen Arbeit gehindert und werde leider auch die geplante hiesige Darwin-Feier aufgeben müssen; kann auch den von Herrn Dr. Körber gewünschten Beitrag zum Februar-Heft („Darwin-Heft“) nicht liefern. Auf einen englischen Beitrag dazu, von Seiten Darwin’s Söhne und von Wallace, dürfen Siea auch nicht rechnen; dieselben sind kirchengläubige Dualisten und Gegner des deutschen Darwinismus. ||

Wallace ist mein unversöhnlicher Gegner, weil ich 1874 in der „Anthropogenie“ seinen mystischen (heute noch behaupteten) Spiritismus scharf beleuchtet habe.

Die Söhne Darwins (Francis und George) haben sich gegen mich ganz jämmerlich benommen. Sie wollten mich 1882 verklagen, weil ich in meinem Eisenacher Vortrage über „Darwin, Goethe und Lamarck“ den berühmten „Agnostiker-Brief“ ihres Vaters an Baron Mengden publicirte, in dem er jede „Offenbarung“ leugnet. – Meine Darwin-Bilder sind jetzt sämtlich in München bei einem Künstler, der ein großes Porträt Darwins für das Phyletische Museum malt. || Welches von den vielen (meistens guten) Bildern das absolut beste ist, dürfte schwer zu entscheiden sein.

Über die Fortschritte des „Deutschen Monistenbundes“ und den Erfolg Ihrer Tätigkeit dafür freue ich mich aufrichtig und wünsche zunehmendes Wachstum in geometrischer Progression!

Ich glaube, daß die perfiden Angriffe unserer dualistischen Gegner, besonders des heuchlerischen „Keplerbundes“ (Dennert, Brass etc) unsere gute Sache vielfach indirect fördern.

Mit besten Wünschen

Hochachtungsvoll

Ihr ergebener

Ernst Haeckel. ||

[Gedruckt:]

Phyletisches Museum in Jena.

Zahlreiche Anfragen, betreffend den Besuch des neuen Phyletischen Museums in Jena, veranlassen mich zu folgender Mitteilung. Das Gebäude des Museums (Neugasse 22), welches innerhalb Jahresfrist fertig gestellt wurde, ist zwar am 30. Juli 1908 der Universität Jena – bei Gelegenheit ihrer 350jährigen Jubelfeier – als Eigentum übergeben worden; es ist aber noch so feucht, dass die innere Ausstattung und das Einräumen der wertvollen Sammlungen erst im nächsten Frühjahr beginnen kann. Voraussichtlich wird diese umfangreiche Arbeit noch das ganze nächste Jahr in Anspruch nehmen, so dass die Oeffnung der Schausammlungen für das Publikum erst im Frühjahr 1910 stattfinden kann.

Die Geldmittel für den Bau und die Ausstattung des Museums sind lediglich durch freiwillige Beiträge meiner Schüler und Freunde, sowie durch hochherzige Gaben von begüterten Anhängern der Entwicklungslehre gesammelt worden. Weitere Gaben dafür nimmt dauernd das „Rentamt der Universität Jena“ entgegen, das darüber zu quittieren amtlich ermächtigt ist. Von den Erträgen dieser fortgesetzten Sammlung wird es abhängen, ob dieses „Erste Museum für Entwicklungslehre“ in vollem Maße das hohe Ziel erreichen wird, welches mir bei seiner Gründung im Beginne des Jahres 1907 vor Augen stand, die Schaffung einer öffentlichen Bildungsstätte für wahre Natur-Erkenntnis, eines Tempels für den Kultus des Wahren, Guten und Schönen.

JENA, 18. August 1908.

ERNST HAECKEL.

a korr. aus: sie

Brief Metadaten

ID
39300
Gattung
Brief mit Umschlag
Institution von
Zoologisches Institut der Universität Jena
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Zielort
Zielland
Deutschland
Datierung
20.12.1908
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
1
Format
14,0 x 22,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 39300
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Dieterich, Alfred; Jena; 20.12.1908; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_39300