Riva 10. Sept. 08.
Hochverehrter Herr Geheimer Rath!
Kurz vor meiner Abreise zur Hochzeit empfing ich Ihren Brief, der mich mit seinen vielen guten Wünschen und der vertrauensvollen Prognose, die Sie meinem Leben stellen, hocherfreute. Und dann haben Sie mir und meiner Frau mit den herrlichen Bildern eine zweite || große Freude bereitet: ein prächtiger Schmuck nicht nur für unser neues Haus, sondern mir auch Erinnerungsstücke an schönste Wanderwochen im Süden gemeinsam mit Ihnen. Ich danke Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin von Herzen für diese Gabe!
Mein Wunsch, im Hochgebirge den September zu verbringen, verregnete, selbst am Achensee wurden wir nicht warm, erst in Trient leuchtete die || Sonne und strahlte die Wärme von den blendenden Wänden der alten palazzi so recht nach Wunsch, daß ich Matten und Gletscher verschmerzte.
In Riva haben wir nun unser Standquartier aufgeschlagen. Der Gardase legt seine warmen Buchten an so grandiose Steilfelsen mit hohen aussichtsreichen Straßen, die Thäler öffnen sich mit einem unerschöpflichen Reichthum in Weingärten, Maisfeldern und Olivenhainen, daß wir sobald nicht denken dieses Paradies zu verlassen. ||
Es freut mich aufrichtig, daß Sie nun endlich auch ein Ruheplätzchen sich gesucht haben um von all dem Jubiläumstreiben sich den Kopf frei zu machen. Denn ich wüßte Ihnen nichts sehnlicher zu wünschen, als daß Sie gerade das letzte Semester in voller Frische durchführen, daß Sie, wie mein Vater es von sich sagen konnte, das akademische Handwerkszeug nicht zitternd sondern mit fester Hand und in heiterer Ruhe von sich legen.
Mit diesem Wunsch grüßt Sie in dankbarer Treue
Ihr Ihnen stets aufrichtig ergebener
Leonhard Schultze.