Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 26. September 1881

Jena 26 Sept 81

Liebste Mutter!

Nachdem ich nun an allen zugänglichen Stellen (insbesondere auch in Triest) zuverlässige Erkundungen eingezogen, und übereinstimmend erfahren, daß die Cholera in Aden keine Bedenken für die Reise bilden könne, habe ich beschlossen, mit dem am 15. October von Triest abgehenden „Heliosdirect nach Ceylon zu fahren; meine Triester Freunde rathen mir besonders dazu, da der Helios das größte und beste Schiff des Lloyd (– für Hongkong bestimmt) ist; ich bekomme die besten Empfehlungen. ||

Den Consul in Ceylon habe ich gebeten, mir am 24. October, wo ich in Suez bin, direct zu telegraphiren, falls irgend ein Bedenken die Aufschiebung der Reise nach Ceylon räthlich mache; in diesem Falle würde ich zunächst in Suez bleiben, um das rothe Meer zu untersuchen, und 1 Monat später nach Ceylon gehen. In Ceylon selbst sind im Gebirge die vorzüglichsten Gesundheit-Stationen absolut frei von Epidemien, auch wenn diese unten an der Küste grassiren. Das Gebirge ist mit Eisenbahn von Colombo in ½ Tagen zu erreichen. ||

Seit 8 Tagen gehe ich täglich mit Agnes und den Kindern Nachmittags spazieren (in den letzten Tagen 2 Stunden) und bin ganz wieder frisch; die Wunde ist ganz geheilt. Auch die Kinder sind wieder munter; nur Emma darf noch nicht heraus; sie hatte vor 8 Tagen einen leichten Diphtheritis-Anfall mit ziemlichem Fieber; seit 3 Tagen geht es aber besser; seit gestern ist sie außer Bette. Lisbeth hat uns eine vorzügliche Michaelis-Censur gebracht, Walter leider nur eine sehr mäßige; er muß immer zum Arbeiten getrieben, Lisbeth umgekehrt zurückgehalten werden. ||

Seit 4 Wochen arbeite ich ununterbrochen an den Challenger-Radiolarien, habe für Giltsch 30 Tafeln gezeichnet (lithographe Arbeit für ein ganzes Jahr!) und außerdem das Ganze neues System der Radiolarien ausgearbeitet, das jetzt gedruckt wird (als Entwurf, nur 2 Bogen!) Ich bin sehr froh, diese Arbeit (über Erwarten!) noch vor der Reise vollendet zu haben. ||

Wahrscheinlich werde ich nun am a 7. October abreisen (am 6. ist Emmas Geburtstag); am 29 Sept feiern wir Walters Geburtstag. –

Auf alle Fälle liebste Mutter, Sorge Dich nicht; ich werde mich sehr in Acht nehmen und jede Gefahr vermeiden, schon als alter Familien-Vater.

Mit herzlichsten Grüßen

Dein treuer Ernst

Carl gehts hoffentlich besser?

a gestr.: 6 od.

Brief Metadaten

ID
39175
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
26.09.1881
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
5
Umfang Blätter
3
Format
14,5 x 23,0 cm ; 14,3 x 22,5 cm; 11,5 x 18,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39175
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Charlotte; Jena; 26.09.1881; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_39175