Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Agnes Haeckel, Colombo, 6, März 1882

Colombo 6. März 82

Ihr theuren Lieben!

Diese Zeilen bringen Euch meinen letzten Gruß von der schönen immergrünen Wunder-Insel, auf der ich nun fast 4 Monate hindurch eine reiche Fülle der herrlichsten Naturbilder und der lehrreichsten Erfahrungen gesammelt habe. Wie ein Märchen Traum wird es mir sein, wenn ich in wenigen Tagen wieder auf dem Dampfer ausruhe, der mich der Heimath zuführt, und alle die zahlreichen und merkwürdigen Reisebildera in der Erinnerung vorüber ziehen lasse.

Ich bin dem gütigen Geschicke sehr dankbar, welches mir noch in vorgerückten Jahren die Erfüllung des sehnlichsten Lieblings-Wunsches meiner Jugend gewährt und so viel Glück und Erfolg zu dieser meiner größten Reise gewährt hat; ist auch Vieles Anders gekommen, als ich dachte, so war ich doch in der Hauptsache sehr glücklich. ||

Aber trotz der Herrlichkeiten alle, die ich hier genossen, bin ich doch herzenfroh, bald wieder in der Heimath zu sein und werde auch keine Versuchung fühlen, nochmals die Tropen zu besuchen. Dieser eine Besuch hat völlig gereicht, um mir ein vollständiges Bild vom Reichthum des tropischen Lebens zu geben.

Aber es war auch eine Zeit harter Anstrengungen und vieler Entbehrungen, so daß ich mich recht herzlich auf mein Daheim freue. Indessen war vielleicht grade die ununterbrochene lebendige Thätigkeit und die viele Bewegung in der freien Luft, die Ursache, daß meine Gesundheit fortdauernd die allerbeste blieb.

Den vielen und großen Gefahren, die derb Aufenthalt in den Tropen wirklich mit sich führt und die überall in den mannichfachsten Formen drohen, bin ich allenthalben glücklich entgangen; und auch meine einsamen Streifereien durch die Urwälder waren stets vom Glück begleitet. ||

Mit der Lebensweise in Indien, besonders wie sie die Engländer hier ausgebildet haben, und mit allen den sonderbaren Eigenheiten, die damit verknüpft sind, habe ich mich nicht befreunden können. Ich bin herzensfroh, bald wieder im kleinen stillen Jena zu meinem einfachen deutschen Leben zurückzukehren. Im Grunde sind eigentlich alle Europäer hier froh, wenn Sie bald zurückkehren können. Der Plagen u. Entbehrungen, die das tropische Klima mit sich bringt, sind hier doch gar zu viele. Noch auf der letzten Reise im Gebirge, und auf der Rückkehr in die Ebene habe ich sie alle gründlich genossen: Dutzende von Blutegeln an den Beinen auf jeder Wald-Excursion, hunderte von Ameisen und Termiten überall, wo man ausruhen will; die Wässer überall wimmelnd von kleinen Würmern u. Krebschen; die Luft von Mosquitos und Stechmücken; u. dazu die Masse giftiger u. stechender Pflanzen, vor denen man sich ernstlich zu hüten hat. ||

Die gastfreundliche Aufnahme bei den Kaffee Pflanzern im Hochlande, war aber so angenehm, wie vorher im Unterlande bei den lieben Freunden in Colombo und Galle. Dr. Trimen (– dessen Bruder in der Capstadt sehr befreundet mit Wilh. Bleek war) war mir ein sehr lieber Gefährte. Wir schieden vorgestern ganz zärtlich!

Hier im Whist-Bungalow traf ich vorgestern zum 4ten u. letzten Besuche ein. Mein Lloyd-Dampfer („Aglaja“) kommt schon übermorgen (8 März) von Calcutta an, wird aber erst am 10. von hier abfahren. Ungefähr am 26. oder 28. werde ich in Suez sein. Vielleicht bleibe ich noch 8 oder 14 Tage im Suez und Cairo, um womöglich den kalten April in Jena zu vermeiden; doch hängt dies von der Quarantaine u. andern Umständen ab.

Den c 3. u. 4. indischen Reisebrief werde ich nächste Woche an Bord der Aglaja schreiben. Jedenfalls hoffe ich ungefähr am 20. April wieder im lieben Jena zu sein! ||

Gebirgs- Reise in Ceylon. Fortsetzg. II.

Von Newera-Ellya nach Ratnapura.

– Nach 4 schönen Tagen in Newera Ellya in denen ich fleißig aquarellirte, brach ich am Sonntag 19. Febr. von dort auf nach Hakgalla, in Gesellschaft von Dr. Trimen, dem Director des botanischen Gartens in Peradenia. Da es in ganz wilde u. unbewohnte Gegenden ging, mußten wir nicht weniger, als alle Bedürfnisse (Betten, Nahrung für 8 Tage, Munition etc) mit uns nehmen; dazu einen Troß von 22 Kulis oder indischen Lastträgern, außerdem 4 Diener, einen Koch, einen Assistenten, im Ganzen 30 Personen! Die erste Nacht brachten wir in Hakgalle zu, einem Hochland-Garten.

Mo. 20. Febr. Marsch von Hakgalla südlich nach Horton-Plains, in 10 Stunden, durch ganz einsames und wildes Gebirgsland, halb Wald, halb Patna (trockne hohe Grasflächen); wilde Bäche auf Baumstämmen überschritten; in der letzten Hälfte Rhododendron-Wälder mit herrlich scharlachrothen Blüthen. Elephanten-Pfade mit Nilu, Djungle-Führer. Abends kurz vor Nacht-Anbruch langten wir in Horton-Plains, House an, wo wir 5 Nächte blieben, bei schönstem Wetter. ||

Dieses Rasthaus, die höchste Wohnung in Ceylon, 7200 Fuß hoch, ist ein looses Steinhaus, von der Regierung zum Schutze der wenigen Reisenden errichtet, die dann u. wann in diesen Einöden übernachten. Wir richteten uns darin so häuslich als möglich ein und verlebten hier 4 sehr interessante Tage. Tag u. Nacht tüchtiges Feuer im Camin; morgens 4 – 5° R. (so daß wir jede Nacht trotz wärmster Kleider tüchtig froren); Mittags 24 – 26° R. im Schatten, glühend heiß; dabei trockenste Luft, so daß die Haut tüchtig verbrannte u. überall aufsprang. Meistens durchstrichen wir den Urwald auf Elephanten-Spuren; ich schoß herrliche große Waldhühner (Gallus Lafayetiid). Einmal sahen wir eine Herde wilder Elephanten. Am 22. bestiegen wir einen der höchsten Gipfel, den Totapalle (7800 Fuß) mit herrlicher Rundsicht auf die Insel. Schöne Wildbäche u. Wasserfälle in den dicht bemosten Urwäldern, größtentheils aus Rhododendron arboreum (20 – 40 Fuß hoch, mit rothen Blumen) gebildet. ||

Freitag 24. Febr. stiegen wir in 5 Stunden von Horton Plains 5000 Fuß hinab, nach Nonpareil, der höchsten Kaffee-Pflanzung am südlichen Abstieg. Großartiger Blick in eine tiefe Felsenschlucht am „Ende der Welt“ (World’s End). In Nonpareil übernachteten wir bei dem Sohn von Capt. Bayley (Galle).

Sa. 25. Schönster Wandertag! Von Nonpareil in 6 Stunden durch e ein wundervolles Gebirgsthal mit großartigen Aussichten nach Billahool-Oya (halbwegs zwischen Badulla und Ratnapura). Hier gefiel es uns so gut, daß wir den So. 26. hier blieben. Reizende Wanderungen in wilde, von tobenden Flüssen durchströmten Gebirgsthäler, von prächtigen Farnbäumen überschattet. Leider nur sehr viel Blutegel, so daß meine Beine während des Aquarellirens von Blut überströmt waren. Auch Mosquitos sehr bösartig. Großartige Massen von Schlingpflanzen an den riesigen Waldbäumen.||

Montag 27. Febr. 10 Stunden Fahrt im Ochsen-Karren(!) auf der Kaffeestraße von Billahool-Oya nach Pelmadula, ebenso von dort nach Ratnapura in 5 Stunden am Di. 28. Schöne Bergthäler. Mittwoch 1. März. Prächtige Flußfahrt auf dem „Schwarzen Fluß“ (Kalu-Ganga) von Ratnapura nach Caltura, in 18 Stunden (von früh 6 Uhr bis Mitternacht, letzte Hälfte bei herrlichem Mondschein.) Stromschnellen mit Felsen, Urwald, Affen! An den stärksten Stromschnellen mußten wir aussteigen u. Umladen. Gedecktes Boot mit Ruderern; kalte Küche und Thee.

Donnerstag 2. März in Caltura, Mittags nach „Temple-Trees“ zum guten Staniforth Green. Freitag 3/3 per Bahn nach Henarokgodde Tropen Garten mit herrlichen Bäumen und Kletterpflanzen; ich schoß 8 große fliegende Füchse (Riesen-Fledermäuse von 4 Fuß Flügelweite) von denen 3 schöne Embryonen enthielten.

Samstag 4. März zurück nach Whist Bungalow.

Sonntag 5. Photographirt und Praeparirt.

Den Brief nach Suez schickt spätestens am 18. bis 20. März ab und adressirt:

Professorf Haeckel,

Passenger of the „Aglaja“,

Austrian Lloyd’s Office, Suez ||

Dieselbe Adresse eventuell nach Aden, wo die Aglaja am 20 März circa landen wird. Aber ein Brief von Jena nach Aden wird 14 Tage gebrauchen!

a korr. aus: Reisebildchen; b korr. aus: das; c gestr.: 4.; d irrtüml.: Lafayetti; e gestr.: das; f korr. aus: Professore

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
06.03.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39123
ID
39123