Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Agnes Haeckel und Familie, Colombo, 6. Februar 1882

Whist-Bungalow, Colombo, Ceylon

Montag 6 Februar 82.

Ihr theuren Lieben!

Heute über 4 Wochen wird zum letzten Male gepackt und ein paar Tage später segle ich von Ceylon ab! Das ist jetzt der Gedanke, der mich am meisten beschäftigt. Denn trotz Allem Schönen sehne ich mich doch recht sehr nach Hause und bin der vielen Plackereien und Unruhen, die diese Tropen-Reise mit sich bringt, herzlich müde!

Wie herrlich wird es sein, wenn ich Mitte April wieder bei Euch bina und Euch von All‘ dem Schönen und Wunderbaren, das ich gesehen, erzählen kann! Wahrscheinlich werde ich mich (wegen der in Egypten fortbestehenden Quarantaine) dort nicht aufhalten und schon am 8. oder 10. April in Triest sein.

Morgen (7. Februar) gehe ich auf einige Wochen in das Hochland (Newera Ellya, Adams-Pik etc). Ich habe dort (meistens von Kaffee-Pflanzern) doppelt so viel gastfreundliche Einladungen, als ich in der kurzen Zeit nur überhaupt annehmen kann! ||

Die letzte Woche war sehr wunderlich! Sie sollte größtentheils dem vielbesprochenen „Elephant-Kraal“ gewidmet sein, das zu Ehren der beiden englischen Prinzen Albert Victor und Georg (älteste Söhne des Prinzen von Wales) – auf der Rückkehr von ihrer Weltreise – stattfinden sollte. Leider ist dieses seltene Schauspiel, welches über 100,000 Mark gekostet hat und zu welchem b viele tausend Leute zusammengeströmt waren, gänzlich verunglückt, theils durch Ungeschick und Zwietracht der Beamten, theils durch unerwartetes starkes Regenwetter. Den meisten Zuschauern hat esc viel Geld gekostet (100 – 200 Mark per Mann). Ich habe esd als Ehrengast fast umsonst mitgemacht. Am Montag 30. Januar fuhr ich in einem Regierungswagen mit General Lefroy (nebst Frau und Tochter) von Colombo in 6 Stunden nach Lambugano (in der Nähe von Avisawelle, 30 englische Meilen östlich von Colombo). ||

Der Weg war sehr hübsch mit Ehrenpforte etc geschmückt. Dann folgte (in arger Mittagshitze) ein starker Marsch von 1 Stunde durch Urwald (die Damen wurden von je 4 Trägern geschleppt) Die Scenerie der herrlichen Bäume mit Kletterpflanzen am Ufer eines wilden Baches in tief eingeschnittenem Thal war ganz prächtig. Für die vielen tausend Zuschauer war ein besonderes Dorf (Kraal-Town) aus Palmen-Matten gebaut, tief im Grunde einer Schlucht. Auf einem Hügel, ¼ aufwärts, waren die besseren Matten-Hütten für die Haute-volée errichtet, zu der auch ich gehörte. Ich bewohnte mit Sir Henry Lefroy und dessen Familie ein hübsches Bungalow mit 4 luftigen Räumen; die Mahlzeiten nahm ich meistens unten im Dorf bei meinen Freunden (Suhsen, Daendliker, Neville, Schrader). Das Leben dort war sehr bunt und laut. Oben, wo neben unserm Bungalow das des Gouverneurs und der Prinzen stand, war es verhältnismäßig still und angenehm. Die Umgebung des Urwalds und der Blick in die Berge war sehr schön. ||

Dienstag 31. Januar sollte das Eintreiben der wilden Elephanten in den umzäunten Fang-Platz stattfinden („Corral“ = Kraal). Es waren 2 Heerden von 25 Stück (8 und 17). e 3000 Treiber waren seit 3 vollen Monaten mit Zusammentreiben beschäftigt.

Da aber die beiden Häuptlinge sich befehdeten gönnte keiner dem Andern den Erfolg. Zudem kam ganz unerwartet am 31. das scheußlichste Regenwetter. Den ganzen Tag warteten Tausende hinter der Umzäunung umsonst auf wilde Elephanten; nur 4 zahme wurden gesehen, die letztere fesseln sollten. Mittwoch 1. Februar wiederholte sich dasselbe klägliche Schauspiel. Endlich Nachmittags 2 Uhr gelang es 7 wilde Elephanten einzutreiben; einer musste sogleich erschossen werden. Ich sah Sie nur auf wenige Minuten.

Donnerstag 2. Febr. sollten diese gefesselt und gezähmt werden; statt dessen durchbrachen sie das Gitter und suchten das Weite. So kehrten wir denn nach Hanwella zu Fuß zurück und fuhren in strömendem Regen (6 Stunden) den Kelani-Gange Fluß im Boot hinab.

a eingef. mit Einfügungszeichen: bin; b gestr.: [xxx]; c korr. aus: sie; d korr. aus: sie; e gestr.: Ab

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.02.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39121
ID
39121