Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Agnes Haeckel und Familie, Colombo, 28. Januar 1882

Austro-Hungarian Lloyd’s Steam Navigation Company.

Colombo Agency 28 Jan 1882

Ihr theuren Lieben in Jena und Potsdam!

Gestern Abend bin ich glücklich und gesund wieder in dem reizenden „Whist-Bungalow“ angelangt und fühle mich bei dem lieben Freunde Stipperger ganz wie zu Hause. Der herrlichste Sommermorgen lacht durch die zitternden Blätter der Palmen und Bambusen über meinem Kopfe, während ich diese Zeilen in der entzückenden Veranda am Ufer des Kelani-Ganga Flusses schreibe; mit der fernen Sicht auf das dunkelblaue Meer und dem nahen a Blick auf alle die tropischen Herrlichkeiten, die Stipperger in seinem Garten sorgfältig cultivirt. Ich wiederhole den ganzen Zauber des ersten Eindrucks dieser wunderbaren Natur, welchen ich vor mehr als 2 Monaten (es sind jetzt grade 9 Wochen) beim ersten Anblick genoß. Mein Herz ist wonne-erfüllt über diese unvergesslichen Eindrücke, b ein bleibender Schatz für das ganze Leben; und ich bin dankbar froh, daß ich die tüchtigen Strapatzen und arbeiten dieser beiden arbeitsreichen Monate glücklich hinter mir habe. ||

Nicht weniger als 50 Kisten mit Sammlungen (30 von Belligam, 20 von Galle) habe ich gestern bei Herrn Scott in Galle zurückgelassen, der sie von dort direct (via Hamburg) nach Jena schicken wird. Sollten Sie vor meiner Ankunft in Jena sein, so soll Pohle sie in Snell’s Hause abladen lassen (– nicht im Zoolog. Institute, wo kein Platz mehr ist –) Snell hat mir dafür 2 leere Zimmer versprochen; Pohle soll das auf beiden Bahnhöfen ansagen.

– Die Woche in Galle habe ich fast ausschließlich mit Fischen und Sammeln auf den Korallen-Bänken zugebracht; ich hatte ½ Dutzend Taucher engagirt, habe aber auch selbst viel getaucht und gesammelt. Die Sammlung wird sich später im neuen Institute in Jena prächtig ausnehmen; es klebt aber auch eine gewaltige Menge von harter Arbeit, von Schweiß und Blut daran – im eigentlichen Sinne des Wortes! Ich habe mich bei dem Sammeln, Tauchen und Präpariren mehr als hundertmal tüchtig geschnitten und gerissen, wie das bei den stachlichen und scharfen Korallen-Spitzen unvermeidlich ist! Hände und Füsse sind tüchtig zerfetzt, und an Pflastern fehlt es nicht! ||

Matura, das Süd Cap Ceylon’s verließ ich am Freitag 20. Januar und fuhr Nachmittags mit dem Post Omnibus in 3 Stunden nach Galla. Hier wurde ich im Queens’s-Hause von Scott’s abermals freundlichst aufgenommen und 8 c Tage beherrbergt. Ich bewohnte wieder das freundliche Zimmer am Garten, welcher mir Platz zum Arbeiten und Sammeln gab. Ich traf dort die beiden Botaniker von Peradenia, Trimen und Ward. Letzteren begleiteten wir am Montag (23.) auf den Dampfer; er kehrt nach 2jährigem Aufenthalt nach Europa zurück.

Am Dienstag (24.) kam Stipperger von Colombo auf 3 Tage Besuch. Ich fuhr Freitag mit ihm in 6 Stunden (per Post-Omnibus, für 30 Mark!) von Galle nach Colombo zurück (6 – 12 Uhr). 4 interessante Nachmittags-Stunden hatte ich in Caltura, wo ich 2 Prachtbäume aquarellirte.

In Galle kam ich wenig zum Malen, da die mühselige Korallen Fischerei und Packerei den größten Theil meiner Zeit kostete. Doch machte ich mit Mr. Scott ein paar reizende Spazierfahrten (nach Herenborg, Blyth’s Villa, Baӱleӱs Castle, zur Mündung des Wackwella-Flusses, auf das Belvedere von Wackwelle etc) (Theilweise in Begleitung von Ward, Trimen, Stipperger). Das Wetter war meistens wunderschön, nur etwas heiß (24 – 26°c); einen Tag tüchtigen Regen. ||

Nun liegen 2 anstrengende Monate in Ceylon hinter mir, die Zeit in der ich tüchtig gearbeitet und gesammelt habe; die Strapatzen sind mir vortrefflich bekommen, zumal ich sehr einfach und mäßig gelebt habe, nicht halb so viel gegessen und getrunken, wie die Engländer hier thun. Was diese vertilgen, ist unglaublich! Dabei klagen Sie über Magen- und Leber-Krankheiten, u. haben keine Bewegung! Ich bin ganz braun geworden, gleich meinen indischen Freunden in Belligam; sie äußerten beim Abschiede ihre große Genugthuung darüber!!

– Die 6 Wochen in Belligam erscheinen mir schon jetzt wie ein wunderbarer Traum; wie schön wird es erst sein, wenn ich Euch Alles Einzelne erzähle und dabei meine Aquarelle (über 100) zeigen kann; gestern in Caltura habe ich mein drittes großes Skizzenbuch beendigt!

– Morgen gehe ich mit 3 hiesigen Deutschen auf 3 Tage nach Avisawelle, wofür die beiden engl. Prinzen große Elephanten Vorstellung ist. Die Tour in’s Hochland, auf die ich mich sehr freue, werde ich dann größtentheils in Begleitung von Dr. Trimen, den Botaniker machen. Hoffentlich ist dieser letzte Monat in Ceylon noch recht schön; Februar gilt für den schönsten aller Monate hier.

Am 8. März auf den Steamer! Dann addio Ceylon!

a gestr.: Blik; b gestr.: den; c gestr.: St; korr. aus: 24°

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.01.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39120
ID
39120