Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Agnes Haeckel und Kinder, Karl Haeckel und Kinder und Charlotte Haeckel, Colombo, 26. November 1881

Austro-Hungarian Lloyd’s Steam Navigation Company.

Colombo Agency 26 Novbr 1881

Ihr teuren Lieben in Jena und Potsdam!

Mein Herz und Sinn ist so voll von den tausend köstlichen Naturwundern des paradiesischen Ceylon, daß ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, Euch Alles zu schildern. Alle meine kühnsten Hoffnungen und Erwartungen sind erfüllt, ja weit übertroffen! Das kurze Vierteljahr, das ich hier zubringe, wird mir wie ein Märchentraum verfließena, aber Zeitlebens eine Fülle der reichsten und schönsten Erinnerungen hinterlassen.

Vor Allen ist natürlich die tropische Vegetation entzückend, aber auch das Thierleben wunderbar und das Menschenleben nicht weniger merkwürdig. Und doch ist Colombo noch lange nicht das Schönste! Was wird mir erst Galla, Matura, Kandy, Peradenia bieten! Und was habe ich Alles hier zu thun! Wie kurz wird mir dies Vierteljahr verfließen! ||

Meine Aufnahme hier ist über alle Erwartung freundlich. Unter den Deutschen (etwa 1 Dutzend Kaufleute) fühle ich mich wie zu Hause. Aber auch die Engländer sind sehr liebenswürdig. Und doch habe ich erst die Hälfte von meinen zwanzig Empfehlungen abgegeben.

Am 22ten November, an meines lieben Vaters Geburtstag, (– am zweiten Tage nach der Ankunft –) war der wichtigste Tag für mich, der officielle Empfang beim Englischen Gouverneur und den andern höheren Beamten der Hauptstadt. Ich hatte vorher brieflich dem Gouverneur gemeldet, daß ich eine officielle Empfehlung vom Colonial-Ministerium (Lord Kimberley –) – durch den Großherzog von Weimar verschafft, zu überbringen habe. Demgemäß wurde ich am 22/11 (Dienstag) Mittag 3 Uhr in feierlichster Audienz empfangen, zwischen 2 Reihen indischer (in Gold und Purpur gekleideter) Pagen. Zur Begleitung erhielt ich 2 indische Ulanen in rother Uniform auf schönen Schimmeln; das hätte Walter interessirt!! || Die Audienz dauerte über eine Stunde. Der Gouverneur (Sir James Longden) (– der sonst nicht für sehr coulant gilt –) war höchst gnädig und versprach mir alle mögliche Unterstützung. Zunächst werde ich eine officielle Empfehlung an sämtliche Regierungs-Beamten der Insel erhalten. Zu Morgen bin ich zum Diner eingeladen, b am 6 December zum Hofball, wobei alle indischen Fürsten der Insel in National-Tracht erscheinen! Nach der officiellen Audienz wurde ich Lady Longden (der Madame Gouverneur) feierlichst vorgestellt; ich unterhielt mich sehr angenehm mit der hohen Dame und als Zeichen ihrer besonderen Gunst verehrte sie mir beim Abschied eine schöne Rose die sie an der Brust trug! Mehr kann ein wandernder deutscher Naturforscher füglich nicht verlangen! Ebenso freundlich war die Aufnahme bei den anderen Englischen Beamten, denen ich meine Aufwartung machte: General-Auditor Ravenscroft, Hafen-Capitain Donnan, || Municipal-Inspector William Ferguson, Museums-Director Haly etc.

Auch der alte freundliche Mr. Staniforth Green, an den mich Frau Nietner in Potsdam empfohlen hatte, empfing mich sehr liebenswürdig. Ich werde morgen mit ihm auf seine Villa fahren; bitte Carl, dies ausdrücklich Frau Nietner zu sagen, und ihr überhaupt diesen Brief mitzutheilen. (den wesentlichen Inhalt). Ich werde nun zunächst ein paar Wochen in dem reizenden Whist Bungalow (an der Mündung des Kelani-Ganga-Flusses) bei meinem lieben Gastfreund Stipperger bleiben und dann wahrscheinlich einen Monat an der Ostküste, einen an der Westküste zubringen. Ferner ein paar Wochen in Kandy und Peradenia den alten Botaniker Thwaites (Freund von Mrs. Nietner) lebt noch nahe bei Kandy, ich werde ihn besuchen. Was werde ich dort, im wahren Paradies-Garten, erst Alles sehen! Hier schon ist mein botanisches Herz ganz außer sich und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll zu studiren.

[Briefschluss fehlt.]

a korr. aus: zerfließen; b gestr.: zum

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.11.1881
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39110
ID
39110