Ernst Haeckel an Agnes Haeckel und Kinder, Karl Haeckel und Kinder und Charlotte Haeckel, Bombay, 8. November 1881

Bombay 8/11 81

Ihr theuren Lieben in Jena und Berlin!

Heute morgen 8 Uhr sind wir glücklich hier in Bombay angelangt und ich habe zum ersten Male meinen Fuß auf das Indische Festland gesetzt, genau einen Monat, nachdem ich mein liebes Daheim verlassen. Ich bin gesund und munter, voller Erwartung der großartigen und mannichfaltigen Eindrücke, die nun auf mich einstürmen werden. Das Schiff bleibt 8 Tage in Bombay liegen und fährt dann in 8 Tagen nach Ceylon, so daß wahrscheinlich am 24. oder 25. November (also noch ehe Ihr diesen Brief in Händen habt) Euch der Telegraph meine glückliche Ankunft in Ceylon gemeldet haben wird. Dort werde ich hoffentlich bald heimisch werden und Euch immer recht gute und erfreuliche Nachricht senden können. ||

Die lange Seereise von 24 Tagen, von Triest bis Bombay, ist bei dem fast beständig schönen Wetter und der gleichmäßigen Fahrt mir sehr rasch vergangen. Es kommt mir jetzt fast wie ein Traum vor, daß ich bereits in Indien bin. Die einzige unangenehme Unterbrechung war die Verwundung a meines linken Beins durch den Rotations-Apparat der electrischen Maschine, von der ich euch im letzten Brief aus Aden schrieb. Indessen ist der böse Fall noch gut genug abgelaufen und b seit ein paar Tagen ist die Wunde geheilt und das Bein wieder im normalen Gang.

Die ersten 8 Tage hatte ich aber recht viel Schmerzen und noch mehr Sorge, und bei der entsetzlichen Hitze im Rothen Meere waren die damit verbundenen Umstände doppelt unangenehm. Gut, daß jetzt Alles vorüber ist! ||

Der gute Doctor hat mich mit rührender Sorgfalt gepflegt und auch der alte Capitain sich meiner sehr angenommen. Überhaupt sind Officiere und Bedienung des Schiffes von tadelloser Aufmerksamkeit und da ich auch mit der Passagier-Gesellschaft auf bestem Fuße stehe bin ich ordentlich verwöhnt worden. Frau Blaschek aus Bombay (die einzige Deutsche Frau an Bord) hat mich mit mütterlicher Sorgfalt behandelt.

Sonst ist von der Fahrt selbst fast Nichts zu berichten. Die 8 Tage im indischen Ocean hatten wir schönstes Wetter. Die frische Luft (20 – 22°R) erschien erquickend nach der schwülen und feuchten Backofen-Hitze des Rothen Meeres (24 – 28°!). Der Aufenthalt in Suez (am 25. Oct.)c und Aden (am 31. Oct.) darunter nur wenige Stunden und ich konnte nicht an Land gehen, sondern lag auf Deck. Die Cholera in Aden ist seit 1 Monat vorbei. ||

Bombay Dienstag Abend 8/11 81

Ihr Lieben!

Der erste Tag in Indien war wundervoll und hat all meine Erwartungen übertroffen. Tausend herrliche Bilder von Natur und Kunst, Menschen und Thieren, Pflanzen und Gegend, ziehen durch meine Seele; noch weiß ich alle die neuen Eindrücke nicht zu ordnen!

Ich habe so viele neue Freunde hier gefunden, daß ich gar nicht alle Einladungen annehmen kann. Auf dem Schiff bin ich ganz verwöhnter Prinz!

Hoffentlich geht es so gut weiter.

Tausend Grüße Euer Ernst

a gestr.: d; b gestr.: ich; c eingef. mit Einfügungszeichen: 25. Oct.)

Brief Metadaten

ID
39107
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Indien
Entstehungsland zeitgenössisch
British India
Datierung
08.11.1881
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39107
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Agnes; Bombay; 08.11.1881; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_39107