Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 26. Dezember 1869

Berlin 20. Dec 69.

Mein liebes Röschen!

Als wohlgezogener, und furchtbar unter dem Pantoffel stehender Gatte will ich nicht unterlassen, Dir, gestrenge Gattin und Beherrscherin meines Hauses, meine vor 26. Minuten erfolgte glückliche a Ankunft in der Victoriastr. 29d parterre zu melden, wohin Du b demgemäß Deinen sogleich zu expedirenden Bericht über das Wohlergehen in der Neugasse und am Graben abzusenden haben wirst; zugleich nicht versäumen wirst, einige der auserlesendsten Küsschen von meinem Schätzchen und der süßen „Frucht unserer Liebe“ beizupacken. ||

Grüße mir den kleinen Gorilla recht sehr, und schärfe ihm ein, daß er ein eben so lieber und ausgezeichneter Mann wird wie sein Herr Papa. Letzterer wurde von seiner Mama, die er natürlich sehr überraschte, beinah ebenso zärtlich empfangen, wie Wälty von Röschen, obwohl es nicht ganz zu solcher Anbetung kam.

– Die Reise kostete übrigens hin und zurück 4 rl 25 Sgr! Das ist doch ein billiges Vergnügen! Freitag (Sylvester) Abend gedenke ich wieder in meiner Residenz einzutreffen und wünsche dann „Was Warmes“ zu essen! ||

Hier fand ich sogleich zwei Correcturbogen vor, nämlich von der Pikbesteigung! – Unterwegs knüpfte ich ein „interessantes Verhältniß“ zu einem märkischen Bauernmädchen, einem reizenden Naturwesen von ca. 250–300 ft Gewicht an, die neben mir saß. Leider mußten wir uns, kaum bekannt geworden, schon wieder trennen, ohne selbst unsere Namen oder Adresse ersehen zu haben.

„Im Vorübereilen grüßen

„Sich mit Blicken voll von Schmerz

„Die sich fest und innig schließen

„Möchten an das treue Herz!“

(Rückert) ||

Was macht „mein Mariechen? Ach.“

– Grüße mir „Seine Liebe Frau Gemahlin „recht herzlich“, den guten Carlo aber besonders; nicht minder „die Mammmmma“ und meine hochverehrte Gouvernante „mit dem langen Oberkörper.“ –

– Betrage Dich gesetzt und artig, liebes Röschen, mache Deinem Manne Ehre und deiner Mamma Freude, und empfange mit schuldigster Ehrfurcht Deinen in 118 Stunden 20 Minuten glücklich heimkehrenden und dir wohl gewogenen treuen Gatten

Ernst Hkl

a gestr.: Nieder; b gestr.: g

 

Briefdaten

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.12.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39030
ID
39030