Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 10. Oktober 1886
Jena 10. Octob 86
Liebste Mutter!
Heute sind es schon 14 Tage daß ich mit Agnes und Lisbeth bei Dir in Potsdam war. Es war doch sehr nett, daß wir wieder einmal zusammen plaudern konnten! Montag fuhren wir schon um 9 Uhr aus Berlin und waren um 2 Uhr hier. Walter und Emma fanden wir (unter Obhut von Tante Clara) recht munter. Walter ist heute Nachmittag wieder nach Gera gereist, nachdem er 14 muntere Ferien Tage hier bei uns zugebracht hat. || Das Wetter war in diesen beiden Spätherbst-Wochen wundervoll, so daß wir viele schöne Spaziergänge zusammen gemacht haben.
– Vorigen Montag waren Richter nebst Frau hier und logirten bei uns.
– Die neue Köchin (die sich gut anläßt) war gerade angezogen!
– Walter und Emma lassen Dir für den Geburtstag Gruß danken; ich habe Beiden in Deinem Namen eine Kleinigkeit (ein Buch) aufgebaut. || Obgleich Walter nun schon 18 Jahr ist (– in welcher Zeit ich Abiturient war! –) macht er doch mehr den Eindruck von 16 Jahren, und dies tröstet mich darüber, daß er in der Schule noch ziemlich zurück ist. Auch Emma sieht eher nach 11 als nach 13 Jahren aus. Beide Kinder entwickeln sich viel langsamer als Lisbeth. – Hier ist noch Ferien-Stille. Ich arbeite tüchtig am Abschluß der Challenger Radiolarien, das Hauptwerk ist zwar fertig gedruckt. Aber nun kommen immer noch || die verschiednen Beilagen und Anhänge, so daß wohl noch der Rest des Jahres darauf gehen wird.
– Hoffentlich geht es Dir gut, und bist Du auch mit dem neuen Mädchen zufrieden!
An alle Lieben, auch an Tante Bertha, herzlichen Gruß
Dein treuer Ernst.