Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 21. Juni 1885

Jena 21. Juni 85

Liebste Mutter!

Der schöne Sommer läuft so rasch dahin, daß wir heute schon den längsten Tag haben. Bei dem warmen (nur zu trockenen) Wetter haben wir unseren hübsch heranwachsenden Garten recht genossen und Dich oft in unsere Laube gewünscht! Wie schade, daß Du nicht mehr die Reise nach Jena wagen kannst! Wir hätten Dich so sehr gerne hier! ||

Bei uns geht es im Ganzen gut. Ich selbst bin seit 8 Tagen Gefangener in meiner Stube. Beim Herabklettern von der Ammerbacher Fels Platte (vor 8 Tagen) habe ich meiner linken Achilles-Sehne zu viel zugemuthet, so daß sich die Hacken-Entzündung vom vorigen Jahre wiederholte! In Folge dessen habe ich die Vorlesungen diese ganze Woche aussetzen müssen, hoffe jedoch, sie übermorgen wieder beginnen zu können. ||

II

Leider bin ich durch diesen dummen Unfall an der Theilnahme an der großen Goethe-Versammlung gehindert, welche gestern und heute in Weimar stattgefunden hat. Ich bedaure dies Pech sehr, da ich ganz besondres Interesse daran gehabt hätte. Unter dem Nachlaße Goethes befindet sich auch noch (angeblich!) viel interessantes Naturwissenschaftliches, und es scheint, daß ein Theil davon mir zu Publication zugedacht ist. ||

Frau und Kinder sind munter. Ausflüge haben wir bis jetzt leider nur wenig gemacht. Sie finden es immer zu Haus und im Garten am schönsten!

– Auch nicht übel! –

Ich arbeite immer noch an den Radiolarien fort!

– Heinrich ist munter. Von Walter haben wir gute Nachrichten.

Mit herzlichsten Grüßen auch an Carl etc

Dein treuer alter

Ernst

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
21.06.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Potsdam
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38926
ID
38926