Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 29. Dezember 1880
Jena 29 Decbr 80
Liebste Mutter!
Zum kommenden neuen Jahre wünsche ich Dir von ganzem Herzen Alles Gute, besonders daß Deine geistige Frische in Deinem hohen Alter Dir, wie bisher, erhalten bleibt, und auch die Körperkräfte dahinter nicht zurückbleiben. Hoffentlich ist Dir das Weihnachts-Fest recht gut bekommen und Du hast es im Kreise unserer Lieben recht froh verlebt. ||
Für Deine reichen und liebevollen Weihnachtsgaben, liebste Mutter, welche unter dem Christbaum bei großem Jubel der Kinder ausgepackt wurden, sage ich Dir herzlichsten Dank! Daß Du noch immer für uns so fleißig strickst, hat uns tief gerührt; Du hast nun wahrhaftig in den 80 Jahren Deines Lebens genug gearbeitet und darfst Dir mehr Ruhe gönnen! Ich hoffe, Du liest recht viel in den übersendeten Büchern! ||
Den Kindern habe ich in Deinem Namen ein paar gute Bücher geschenkt: Walter die „Büffel- Jäger“ von Hoffmann (sehr ersehnte Indianer-Geschichten) und Lisbeth ein „Töchter-Album“ von Th. v. Gumpert. Beide waren sehr glücklich.
Wir haben das Fest recht heiter und ungetrübt verlebt. Ich war sehr froh, endlich die große Last des Medusen-Systems, mit den 2500 Namen abgewälzt zu haben. Das Buch wurde noch grade vor dem Feste fertig. ||
– Eben fällt mir ein, was Karl interessiren wird, daß wir im August in Weggis (am 4 Waldstätter See) eine Woche in derselben Pension mit Herrn von Schmehling nebst Familie waren (Carls Nachfolger in Freienwalde).
Herzlichste Grüße und beste Wünsche, liebste Mutter, von uns Allen!
Dein treuer Ernst