Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 18. Oktober 1880
Jena Montag 18 Octob 80
Liebste Mutter!
Heute Mittag 12 Uhr bin ich munter und wohlbehalten Hier in meinem lieben Neste wieder angelangt, nachdem ich gestern Abend 7 Uhr mit Courier-Zug von München abgefahren bin (via Hof, Gössnitz, Gera).
Am Donnerstag 13./10 verlebte ich noch einen sehr angenehmen Tag bei meinen Freunden in Genua, die um die Wette liebenswürdig waren. Abends 6 Uhr fuhr ich nach Mailand wo ich um 11 Uhr ankam und in meiner alten kleinen Albergo d’ Italia vortrefflich übernachtete. ||
Freitag 15. Oct früh in a Mailand, im Dom, Gallerie Vittor-Eman., Brera etc Mittag 1 Uhr nach Verona gefahren, wo ich mich von 4 – 6 Uhr aufhielt und meine alten Lieblings-Punkte (auf der Brücke, Piazza d’ Erbe, Arena etc) besuchte. Um 6 Uhr von Verona nach Trient gefahren, wo ich um 11 Uhr ankam und übernachtete. Sonnabend 16. Oct bei schönstem Wetter über den Brenner, von 9 – 6 Uhr, von Trient bis Innsbruck, in Gesellschaft von 2 american. Theologen, die in Göttingen studirten. ||
Sonntag früh von Innsbruck nach München (7 – 2 Uhr). In München 5 Stunden, die ich zu Besuchen bei meinen alten Bekannten benutzte: Siebold, Zittel, Bäyer. –
Im Ganzen bin ich mit dem herrlichen Herbst Monat in Italien sehr zufrieden und habe mal wieder rechts Glück gehabt. Die 4 Wochen on Portofino waren reizend und die Resultate meiner zoolog. Arbeiten und Sammlung sehr befriedigend. ||
Hier in Jena fand ich Alles wohl und munter, aber eine Masse Briefe und sonstige Arbeit. (Instituts-Bau, Medusen-Tafeln, Correkturen, Universitäts-Geschäfte). Ich hatte eigentlich noch ein paar Tage zu Dir kommen wollen, liebste Mutter; es ist aber rein unmöglich, da ich diese Woche alle Hände voll zu thun haben werde, und nächste Woche bereits die Vorlesungen beginnen. Hoffentlich bist Du wohl u. munter, ebenso Carls’ Familie. Für Carls Postkarte schönen Dank.
Herzlichste Grüße an Alle
Dein treuer Ernst.
a gestr.: Genua