Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Vevey, 13. September 1880

HÔTEL ET PENSION D´ANGLETERRE

ENFACE DU DÉBARCADÈRE; AVEC JARDIN SUR LE LAC

Vevey 13. Septbr 80

Liebste Mutter!

Gestern (Sonntag) Mittag sind wir in Begleitung meines Freundes Rottenburg von Interlaken abgereist, wo wir eine recht angenehme Woche verlebt haben. Das Wetter war zwar sehr wechselnd, aber doch zur Hälfte recht schön, und die andere Hälfte (Regen) verlebten wir in einem behaglichen Zimmer der kleinen Pension Reber recht gemüthlich.

Hübsche Ausflüge machten wir nach Beatenberg, nach dem Giessbacha und Brienzer See, und nach Goldswyl, sowie verschiedene kleinere Spaziergänge. Dazwischen machte ich noch einen Rest meines Medusen-Manuscripts fertig, während Agnes sich ausruhte. Gestern fuhren wir über den Thuner See nach Bern, am Abend nach Biel, wo wir übernachteten. Heute (Montag) Morgen reiste Agnes um 9 Uhr nach Basel und wird heute Abend bei Gegenbaur’s sein, wo sie übernachtet. ½ Stunde später fuhr ich mit Rottenburg über Bern nach Lausanne, wo wir 3 Stunden umhergingen, heute Abend nach Vevey. Morgen wird Rottenburg nach Glasgow zurückreisen, während ich (wahrscheinlich über Turin) nach Genua gehe. Wohin ich von Genua aus gehe und wo ich mich am Meere zum Arbeiten hinsetze, ist noch unbestimmt. ||

Für deine beiden Briefe, liebste Mutter, die wir in Interlaken erhalten haben, danke ich herzlichst. Ich war sehr froh, nur Gutes von Euch zu hören.

– Was die Anlage von Agnes’ Capital betrifft, so ist doch am Ende besser, jetzt dafür sichere Prioritäten zu kaufen und zu warten, bis sich eine gute sichere Hypothek zu 4½ Procent findet. Ich überlasse dies (mit Zustimmung von Agnes) dem besseren Urtheile von Dir und Carl. Eventuell ist uns auch eine Hypothek zu 4 Procent Recht.

– In Genua werde ich wohl übermorgen eintreffen und mehrere Tage bleiben, jedenfalls bis Sonntag nach post. rest. Briefen fragen. Ist etwas Eiliges zu melden, so schreibt nach Genua post. rest. Sonst warte lieber, bis ich Euch meinen definitiv gewählten Aufenthaltsort angezeigt habe. Ich denke in 3 – 4 Wochen mit der Medusen-Arbeit fertig zu werden. – Die Reise war im Ganzen sehr hübsch und auch Agnes ist sehr befriedigt. – Carl herzlichen Dank für seinen Brief. Wenn er an die Nat. Zeitung die kurze Notiz schicken will („aus bester Quelle“), daß ich nicht in Brüssel war, habe ich Nichts dagegen. – Sowohl Agnes als auch mir ist die Reise recht gut bekommen.

Für heute noch herzlichsten Gruß von

Deinem treuen Ernst.

Agnes kommt Mittwoch nach Haus.

a korr. aus: Giebsbach

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.09.1880
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38842
ID
38842