Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 21. November 1878
Jena 12. Nov 78
Liebste Mutter!
Da morgen der Geburtstag unsres lieben unvergeßlichen Vaters ist, den wir sonst so froh feierten, will ich Dir doch wenigstens einen innigen Gruß von Herzen senden. Es ist doch schön, daß wir unres lieben Vaters immer mit solcher Freude und Genugthuung gedenken können! Ich denke oft an sein männliches und ideales Streben, welches sich auf uns beide Kinder vererbt hat, und das mich in meinen wissenschaftlichen Kämpfen oft erhebt. ||
Beifolgend sende ich Dir das erste Heft meiner kleineren gesammelten Vorträge, ferner einige Urtheile über meinen „Anti-Virchow“, über welchen ich noch jede Woche zustimmende und erfreuliche Zuschriften erhalte.
– Ich stecke tief in der stillen Winter-Arbeit, die mir a nach der Unruhe des Sommers recht wohl thut. Haupt Arbeit sind jetzt die Medusen. Außerdem muß ich eine neue (7.) Auflage der „Natürl. Schöpfungsgeschichte“ machen, und daneben noch die Challenger-Radiolarien! ||
Vielen Dank für Deinen lieben Brief! Sorge Dich nur nicht so um die Kinder; es wird schon allmählich werden! Man muß eben Geduld haben. Beide Kinder sind jetzt in einer raschen Entwicklung begriffen auf die man Rücksicht nehmen muß. Meinen vorigen Brief hatte ich wohl in zu schwarzer Stimmung geschrieben! Es ist mir sehr leid, daß ich Dich nicht öfter sprechen kann; mündlich läßt sich so Was viel besser aussprechen! Übrigens haben wir guten Muth!
Mit herzlichsten Grüßen
Dein treuer Ernst
a gestr.: d