Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 7. Juli 1874

Jena 7/7 74

Liebste Mutter!

Gestern habe ich sehr unerwarteter Weise vom a Unterrichts-Ministerium in Berlin die Anfrage bekommen, ob ich die Professur der vergleichenden Anatomie in Bonn übernehmen wolle; die eine Hälfte der Stelle Max Schultzes. Die Bedingungen soll ich selbst stellen; natürlich sehr günstig. Bonn wäre mir schon ganz recht, obschon das katholische Wesen dort schlimm sein soll. ||

Aber die Verhältnisse der Stelle selbst sind so eigenthümlich, daß ich erst näher instruirt sein muß, ehe ich sie annehmen kann.

Anderseits weiß ich noch nicht, was man in Weimar thun wird, um mich hier zu halten. Jedenfalls bedarf die Entscheidung, die mein weiteres Geschick so wesentlich bestimmen wird, der reiflichen Überlegung. Hoffentlich dauert die Qual des Schwankens nicht zu lange. ||

Gegenbaur wird mir jedenfalls zureden, nach Bonn zu gehen. Agnes thut dasselbe! Die Jenenser, Seebeck voran, wollen mich durchaus behalten. Kurz ich befinde mich in dem fatalsten Dilemma der Schwankung.

– Carls Unfall mit dem verstauchten Fuß thut mir sehr leid; hoffentlich ist er bald wieder gut. Grüße ihn und Clara herzlichst. Hoffentlich kommst recht bald zu uns.

Mit herzlichsten Grüßen

Dein Ernst.

a gestr.: C

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.07.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38779
ID
38779