Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Merseburg, 25./26. Oktober 1851

Merseburg Sonnabend 25/10 1851.

Liebste Mutter!

Schon gestern hatte ich einen Brief von euch sehnlichst erwartet, und als ich heute früh in die Schule ging, sagte ich zu meinen Kameraden: „Heute bekomme ich ganz bestimmt einen Brief.“ Du kannst Dir also denken, wie groß meine Freude war, als ich aus der Schule kam und meine Prophezeiung bestätigt fand. Ich war um so gespannter, als ich dachte, der Brief mit dem Stipendienzeugniß wäre verloren gegangen, da Du nichts davon in dem durch die Frobenius gekommnen Brief erwähntest. Das ihr nun schon etwas in Ordnung seid, freut mich sehr, und besonders, daß es Dir besser geht. Mir geht es leidlich, so so la la; die zu einem ängstigenden und drückenden Berge aufsteigenden Examenarbeiten erdrücken jede andre in des Menschen brust sich auflehnen wollende Empfindung. Die aufgetragenen Besorgungen habe ich alle gemacht. Grumbach wußte nichts davon, daß Vater mit ihm über die Schuldverschreibung gesprochen hätte; jedoch wollte er es besorgen. Der Laufzettel nach Karls Schirm ist abgeschickt, denselben aber nicht gefunden. Die 2 fehlenden Nummern der Gesetzsammlung sind nachgeliefert worden. Sage doch Karl, er möchte sich einmal nach einer Denkmünze auf Humboldt || umsehen, auf deren Rückseite Pflanzen abgebildet sind. Der alte Henkel sagte, sie wäre erst ganz neuerlich geprägt, hat sich auch umsonst danach viel umgethan und wünscht sehr, eine zu besitzen. Falls Karl a sie irgendwo in einem Laden auftreibt (jedoch braucht er nicht zu sehr danach herumzulaufen) und sie nicht zu theuer ist, so kann er gleich eine schicken. Im andern Fall gebt mir aber Nachricht, wo und für wieviel sie zu haben ist. Er glaubte, sie sei von Lohsé geprägt. – Kannst Du vielleicht Dich unter meinen frühern Gespielen auch noch eines gewissen Karl Apel, eines guten Jungen, jetzt Kaufmannsdiener, erinnern? Sein Vater, ein höchst rechtlicher und achtbarer Ehrenmann, Kassenbeamter, dessen sich Vater gewiß noch erinnert, hat sich dieser Tage bloß aus Gram über seine Frau, einen fast immer betrunkenen Hausdrachen, ersäuft. –

Daß Philipp Bleek den Winter in Berlin bleibt freut mich sehr; ich bin recht begierig, zu Weihnachten über unser Studium mit ihm zu sprechen. Grüße ihn recht herzlich, sowie Karl, Mimi, Papa, Großpapa, Tante Bertha und wenn du sonst willst. – Am vergangenen Sonnabend wollteb ich mit Weiß bei dem herrlichen warmen wolkenlosenc Wetter nach Döllnitz gehen; wegen ausgetretnen Wassers kamen wir aber bloß bis an den Waldrand. Am Sonntag war ich mit Weiß und Lüben, dem stud. math. et natur. in Jena, mit dem ich schon viel über mein Kommen nach Jena spreche, in Dürrenberg, wo ich noch nie gewesen war. Es war recht hübsch, nur fanden wir die Salzpflanzen nicht, die wir suchten. – ||

Nur noch 2 Monate!! Einer ist überstanden!

Sonntag Abends war ich mit Osterwalds und Ernst Weiß, bei Weißens, wo auch Grubers und Braunes waren. ─ Morgen essen wir Gänsebraten (allgemeines großes Fest!) Für die Wurst danke ich Dir herzlich; sie hat mit vortrefflich geschmeckt, besonders die delicate Schlackwurst. Eichhoff sagte, die beste Schlackwurst in Berlin sei in Charlottenburg auf dem Platz vor dem Schloß bei Lejeune zu haben; da könnte Vater auf seinen Charlottenburger Spaziergängen was mitbringen. ─ Karl kann mir einmal schreiben, was Krukenberg, Ägidi u. s. w. machen und wie der Königsberger Besuch war. Ist denn nun Alles ausgepackt und glücklich angekommen? Wie benehmen sich die Mägde, besonders die neue angekommne? Friedrich habe ich besucht und bestellt, mir manchmal die Lampe zu scheuern und die Kleider gründlich zu bürsten. Er besorgt jetzt das Pferd eines jungen Steuercontrolleurs, den er auch öfter fährt und bekommt monatlich 2 rℓ 10 Sgr und früh Kaffee. Grüße meinen treuen Papa und Karl. Den Titul-Zettel der mich als gesittet und höflich zeigt, giebt [!] an die Liebe Miese. Schreibt recht bald

Dein treuer Ernst.

a gestr.: eine; b gestr.: war; eingef.: wollte; c eingef.: wolkenlosen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.10.1851
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 38740
ID
38740