Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, 25. April 1868
Jena 25/4 68
Liebste Mutter!
Ich schreibe Dir heute nur kurz, weil ich sehr Viel zu thun habe. Heute sind nämlich die Ferien zu Ende gegangen und Dienstag fange ich meine Vorlesungen wieder an. Die Umarbeitung meines Manuscripts, d.h. seine völlige Vorbereitung für den Druck, hat mich die ganzen Ferien hindurch beschäftigt, so daß ich nicht einen Tag von hier fortgekommen bin. Ich fühle mich aber sehr frisch und bin gar nicht überarbeitet. ||
Bertha hat ihre Kündigung zurückgenommen und uns gebeten noch bleiben zu dürfen. Wir haben sie nun verpflichtet, vorläufig bis Ostern hier zu bleiben. Es ist uns deßhalb sehr lieb, weil sie doch sehr ehrlich und zuverlässig ist, und man ihr im Herbst, wenn Agnes liegen muß, getrost die ganze Wirthschaft wird überlassen können.
Außerdem ist es jetzt sehr schwer, hier ein ordentliches Mädchen zu bekommen. Seitdem die Garnison hier eingezogen ist, beschäftigen sich die || meisten Dienstmädchen vorzugsweise mit praktischen Studien über Fortpflanzung- und Entwickelungsgeschichte, und müssen gewöhnlich nach ¾ Jahren den Dienst wieder verlassen, indem sie sich vermehren. Das gehört auch zu den vielen Segnungen, welche die liebe Garnison uns gebracht hat.
Gegenbaur ist gestern sehr frisch und heiter von seiner a vierwöchentlichen Reise zurückgekehrt. Er war in Heidelberg, Freiburg i/Br. und Würzburg. Sein Töchterchen gedeiht prächtig. ||
Agnes geht es jetzt recht gut. Sie grüßt Dich und Vater herzlichst, und wird nächstens schreiben. – Die Hemden sitzen sehr gut, nachdem Agnes den einen Knopf versetzt hat.
Grüße Vater, Tante Weiß, Tante Bertha etc etc herzlichst
Dein treuer Ernst.
Hoffentlich haben Dich Deine Schmerzen jetzt ganz verlassen.
a gestr.: He