Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Bozen, 2. September 1888
Botzen 2. Sept 88.
Liebste Mutter!
Heute sende ich Dir einen Gruß aus dem schönen Botzen, das wir leider im dicksten kalten Regen-Wetter genießen. Alle Welt ist hier außer sich über den unerhört kalten und nassen Sommer! Fast 2 Monate (Juli u. August) regnet es ununterbrochen! –
„In allen Wipfelna fließt es, Aus allen Gipfeln gießt es; Die Vöglein ersaufen im Walde, Warte nur, balde, balde, Ertrinkest Du auch!“ – Den Jammer der Tausenden von verunglückten Touristen und durchweichten Reisenden zu hören, ist geradezu komisch. || Morgen oder übermorgen wollen wir nun nach Trient und Verona, und versuchen, ob es dort besser wird. Hauptsächlich denken wir am Garda-See einige schöne Tage zu verleben. Postkarten treffen uns in den nächsten 10 Tagen entweder in Verona oder in Riva (Garda-See). Näheres noch nicht bestimmt. Wir müssen uns nach dem elenden Wetter richten! Übrigens können wir mit der ersten Hälfte der Reise doch im Ganzen zufrieden sein (10 schöne Tage auf 10 schlechte). Hoffentlich geht es Euch gut!
Herzlichsten Gruß an alle Lieben
Dein treuer Ernst
a korr. aus: Gipfeln