Jena 31 Dec. 70
Liebste Eltern!
Zum neuen Jahre 1871 sendet Euch die kleine Jenenser Familie die herzlichsten Glückwünsche. Möge dasselbe für Euch und für uns Alle rechten Segen bringen, und möge vor Allem unser Vaterland darin glücklichen Frieden erhalten! ||
Wir treten hier das neue Jahr, wie Ihr denken könnt, in rechter Spannung an, einestheils wegen des in den nächsten 8-14 Tagen zu erwartenden Familien- Zuwachses, anderntheils wegen der Wiener Berufung. Die Entscheidung betreffs letzterer wird sich wohl noch Etwas hinziehen, was mir sehr lieb ist. ||
Die Entscheidung wird mir sehr schwer, da so Vielerlei ernste und für mein ganzes Leben bedeutende Erwägungen für und gegen Wien sich geltend machen. Es rathen mir ebenso viel Freunde zu, als ab. In der That sind die beiden Stellungen so verschieden, und so incommensurabel, daß nur die reiflichsten Überlegungen und Vorsicht nach allen Seiten den Ausschlag geben kann. ||
Ich käme gar zu gern zu Euch, um mit Euch die Sache durchzusprechen. Aber das wir jeden Tag (wenn auch wahrscheinlich erst in etwa 10 Tagen) das Familien- Ereigniß erwarten können, geht es leider nicht an!
Ich schreibe Euch bald ausführlicher; da ich jetzt zum Sylvester Abend zur Mutter Emma gehen muß, schließe ich.
Herzlichste Grüße.
Euer treuer Ernst.
Agnes ist wohl.