Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 29. April 1878
Jena 29 April 78
Liebste Mutter!
Wie Dir meine Postkarte vorgestern Abend gemeldet hat, bin ich gesund, wohlbehalten und in sehr befriedigter, heiterer Stimmung, am Samstag in mein altes kleines Nest zurückgekehrt. Nach den außerordentlich mannichfaltigen und anregenden, aber auch sehr ermüdenden u. angreifenden Eindrücken meiner wunderlichen Vortrags-Reise thut mir die absolute Ruhe und Stille in meinem kleinen Universitäts-Dorfe, und das freundliche Stillleben im Schoße meiner Familie, ungemein wohl. Glücklicherweise ist Letztere im Ganzen munter. Agnes ist gestern mit Lisbeth zum ersten Male wieder ausgegangen. Walter besucht heute zum ersten Male das Gymnasium (Sexta). Klein Emma ist sehr munter, dick und drollig. ||
Ich habe Dir noch sehr viel Einzelnes von meiner sonderbaren Reise zu erzählen, was dich sehr interessiren und amüsiren wird. Ich denke, zu Pfingsten auf 8 Tage mit der ganzen Familie nach Potsdam zu kommen, vorausgesetzt, daß Karl einen Theil von uns logiren kann. Wenn irgend möglich, liebste Mutter, nehmen wir Dich dann gleich mit her, und Du bleibst den Juli bei uns. Für Deinen lieben Brief; der mich gestern hier begrüßte, danke ich herzlich. Hoffentlich kannst Du das schöne Wetter jetzt recht genießen und a zu Carl in den Garten kommen. Fahre nur täglich spaziren! Ich setze Dir dazu besonders 500 Mark jährlich aus!! A propos! Ich habe einige 100 Thlr vorräthig. Es lohnt aber wohl nicht, bis Johanni (8 Wochen) noch was anzulegen?
Herzlichsten Gruß
Dein E.
a gestr.: viel