Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Jena, 10. Mai 1867

Jena 10. Mai 67.

Liebste Eltern!

8 Tage bin ich nun schon wieder hier, und so ziemlich in die alten Verhältnisse eingelebt. Natürlich musste auch wieder Viel Schweres durchgemacht werden, und die bittere Einsamkeit, den Mangel der Liebsten, empfinde ich so lebhaft, wie nur je.

Die Reisezeit war in dieser Beziehung sehr beruhigend; nun ich aber wieder in dem verödeten, einsamen Neste Sitze, fühle ich die Lücke doppelt schmerzlich.

Sonst bin ich sehr wohl. Meine Freunde finden, ich sei sehr stark und braun geworden. In der That haben wir alle Vier auf der Reise durch Spanien und in Paris unsere Cadaver sehr abgerundet. ||

Meine näheren Freunde, namentlich Gegenbaur, Seebeck, Schleicher, Hildebrand etc haben mich mit der alten Herzlichkeit aufgenommen. Dagegen ist ein großer Theil des Senats sehr aufgebracht gegen mich, wegen meines Buches. Ich wußte das im Voraus, und tröste mich darüber mit der warmen Anhänglichkeit meiner Studenten, die mich lebhafter berührt hat, als je zuvor. Meine Haupt- Vorlesung, über allgemeine Zoologie (von 11- 12 Uhr Vormittags) ist ganz voll und erfreut sich der regsten Theilnahme.

Gegenbaur habe ich leider immer noch kränkelnd und sehr verstimmt gefunden. Er thut mir sehr leid. ||

Mein Assistent Miklucho ist wieder in seine alte Stelle eingetreten. Er hängt jetzt doppelt innig an mir, mit einer Liebe, die mich wahrhaft rührt.

Bertha ist inzwischen (durch die heilsame Lehrzeit in Frankfurt?) Viel vernünftiger geworden, wenngleich noch sehr überspannt.

Für Deinen aus Bonn erhaltnen Brief, liebste Mutter, sowie für das Paket mit den Sachen etc den herzlichsten Dank.

Meine 4 Kisten aus Lanzarote sind bereits wohlbehalten Hier angelangt, und die Gläser (von denen nur wenige zerbrochen sind) aufgestellt.

Die Jenenser sehen natürlich den „Afrikareisenden“ wie ein wildes Thier an. ||

Heute über 4 Wochen (Freitag vor Pfingsten) komme ich zu Euch, worauf ich mich unendlich freue. Hoffentlich finde ich Euch so wohl und gesund, wie ihr mich finden werdet.

– N. B. Geld brauche ich jetzt nicht.

– Ich denke, ihr werdet mich jedenfalls im Sommer besuchen.

Mit dem Schicken des Weines etc warte lieber bis nach Pfingsten, da ich vielleicht noch von Berlin aus Mehrers mitschicke.

Huschkes grüße herzlichst!

Sind Sie mit Tante Weiß bekannt?

Ich habe Frl. Huschke’s Hier besucht. Sie sind wohl.

Den kleinen Julius in Landsberg geht es hoffentlich besser.

Über Paris etc nächstens.

Ich habe jetzt noch schrecklich viel Arbeit und Unruhe.

Herzlichsten Gruß

Euer treuer Ernst.

Schreibt bald, bitte!

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
10.05.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38447
ID
38447