Haeckel, Ernst

Transkr. Pahnke, Koll. Müller

Ernst Haeckel an Karl Haeckel, Jena, 12. Oktober 1889

Jena 12. Oct 1889

Lieber Bruder!

Gestern Abend bin ich von meinem Ausfluge an den Luganer See nach Jena zurückgekehrt; früher als ich wollte. Walter ist leider (nach Einsendung seiner Zeichnungen) in die Kunstschule in Karlsruhe nicht aufgenommen worden. Ich will nun sehen, ob er in die Berlin. Academ. (wo die Anforderungen weniger streng sind) Aufnahme findet. An Talent fehlt es dem Jungen nicht, wohl aber an Fleiß und Ausdauer; und das Schlimmste ist, daß alle meine Vorstellungen und Ermahnungen fruchtlos bleiben. Es ist traurig, daß mein einziger Sohn mir so viel Sorge macht. ||

– Meine Herbstferien Erholung war diesmal sehr mäßig. Den ganzen August hatte ich stark zu arbeiten um die 8. Aufl. d. Natürlichen Schöpfungsgeschichte fertig zu bringen. Den ganzen Sept. in Baden-Baden Correcturen; dazu das Wetter meist schlecht; so daß a wir wenig Ausflüge machen konnten. Am 29. Sept. reiste Agnes (der Baden gut bekommen ist) mit beiden Töchtern nach Hause. Ich ging direct über Zürich u. den Gotthardt nach Lugano, wo ich 8 Tage im Hôtel Reichmann (Jenenser) mit Georg Quinke und Familie war. ||

Ich hatte 2 sehr schöne, 4 mittelmäßige und 2 ganz schlechte Tage. Doch konnte ich 12 Aquarell-Skizzen zu Stande bringen.

– Mittwoch (9. Oct.) reiste ich bei strömendem Regen über den Gotthardt zurück. Samstag früh in Luino (am Lago Maggiore) drückende Hitze, Mittag in Goeschenen dichtes Schneegestöber; Abend in Zürich überheiztes Coupé, Nachts von Basel nach Frankfurt eiskaltes Coupé. Die natürliche Folge war eine starke Erkältung die mich wohl 8–10 Tage ans Zimmer fesseln wird. Ob ich nun noch nach Berlin und Potsdam kommen kann, ist zweifelhaft, zumal ich hier noch viel Geschäftliches (Ritter Professur etc) zu || besorgen habe. Kann ich nicht kommen, so bitte ich Dich, die für uns bestimmten Sachen von Mutter einstweilen lose in eine Kiste zu packen, falls Du im Schrank keinen Platz hast. Wahrscheinlich komme ich dann mit Agnes nach Weihnachten od. Neujahr, (wenn Else Reimer Hochzeit hat).

– Grüße Marie und die anderen Lieben. An T. Bertha schreibe ich zum 20. falls ich nicht selbst kommen kann.

– Augenblicklich ist mein catarrhal. Kopf recht wüst! Daher nur noch herzlichen Gruß

von Deinem treuen Br. Ernst

N.B. Herzlichsten Glückwunsch zur Vermiethung der Wohnung.

a gestr.: ich

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.10.1889
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38040
ID
38040