Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Karl Haeckel, Jena, 3. August 1871

Jena 3. Aug. 71.

Lieber Karl!

Durch Mutter erfuhr ich gestern, daß Ihr mit Eurer kleinen Kinderschaar durch verschiedene Erkrankungen rechte Noth gehabt habt. Hoffentlich ist alles wieder ganz in Ordnung oder doch auf dem Wege entschiedener Besserung. Die arme Clara wird in Deiner Abwesenheit rechte Sorge gehabt haben, und daß Euer Arzt gerade verreist war, war auch ein schlimmer Zufall. Schreibe mir recht bald, wie es nun geht und ob Eure Sorge vorüber ist. ||

Ich bin nun schon seit 4 Wochen hier allein, nachdem ich Agnes mit ihrer Mutter nach Bad Nauheim gebracht habe. Die Nachrichten von dort lauteten erst ziemlich mäßig jetzt aber doch besser. Hoffentlich wird Agnes endlich das schmerzhafte Leiden, das unser ganzes Familien Leben stört, gründlich los. Das letzte halbe Jahr war wirklich höchst unerquicklich, zumal auch das kleine Mädchen mit ihrer Kränklichkeit uns viele Sorgen machte. Die letztere hat sich in den letzten drei Wochen sehr herausgemacht und wird hoffentlich bald so munter wie unser Walter. ||

Die Kinder werden von meiner Schwägerin Clara sehr gut besorgt und sind fast den ganzen Tag im Garten.

Ich selbst bin nur Nachts zu Hause, sonst den ganzen Tag von Morgens 7 bis Abends 8 im Institute mit meinen Schwämmchen beschäftigt. Mittags bin ich 2 Stunden und Abends 1 Stunde zur Mahlzeit bei Clara. In den letzten Wochen habe ich viel Besuch von durchreisenden Fremden gehabt. In zwei Wochen wird wohl Agnes zurückkommen und einige Wochen später denke ich dann mit ihr und Walter auf einige Wochen nach Berlin zu kommen. Dann werden wir auch Euch besuchen, worauf ich mich sehr freue. Der muntere Walter wird Euch sehr amüsiren. ||

Die haarsträubende Kritik meiner Schöpfungsgeschichte im Feuilleton der National Zeitung (vom 29. u. 30. Juni) von Herrn Büttner hast Du mir hoffentlich aufgehoben. Solche Specimina von grober Unwissenheit sind wirklich interessant. Die Leute ahnen nicht, daß unsere angeblichen „Einbildungen“ auf wissenschaftlich begründeten Thatsachen beruhen. Im Übrigen macht so eine Kritik immer nur für das betreffende Buch Reclame.

– An Clärchen und die Kinder herzliche Grüße, und von vor allem vollständige Genesung den noch nicht ganz Gesunden! Wie ist denn Deine Harzreise abgelaufen?

Wie immer Dein treuer Ernst.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.08.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 37979
ID
37979