Constantinopel 23 April 73
Mein liebes gutes Röschen!
Durch Deinen gestern eingetroffenen Brief vom 14. April hast Du mir eine große Freude bereitet: Erstens weil er ordentlich gute, befriedigende Nachrichten von Deinem und von unserer Kinder Befinden bringt; und zweitens, weil Du darin mir wirklich schreibst, daß Du mich noch lieb hast und Dich nach meiner Rückkehr sehnst!!
Da Du mir das zum ersten Male während dieser Reise schreibst, so muß ich – nach Deiner eigenen Logik! – annehmen, daß Du das auch zum ersten Male empfunden hast! Nun ich kann Dir nur versichern, daß ich ganz das Gleiche – aber länger und stärker! – empfinde und mich täglich von Herzen auf die Rückkehr in mein liebes stilles Nest zu Weib und Kind freue! ||
Ich bin jetzt das Reisen im Orient, besonders in den letzten 8 Tagen – herzlich satt geworden und sehne mich nach der unaufhörlichen Aufregung und dem bunten Wechsel der mannichfaltigsten Eindrücke recht sehr nach Ruhe und Stillleben, und nach dem süßen, gemüthlichen Zusammenleben im stillen Hause bei meinem reizenden Weibchen und den beiden lieben muntren Kindern!
– Am 1 Mai Reise ich von hier ab, treffe den 6. Mai in Wien ein, bleibe dort 7. und 8. und treffe am 11 Mai (Sonntag) im lieben alten Jena ein; wo ich hoffentlich Euch Lieben recht munter und wohl finde. – An Pohle beifolgenden Zettel: Die Vorlesungs- Anzeige bringt Straßburger mit. – der Tod von Vrolik hat mich sehr betrübt. –
An die Mamma und Clärchen beste Grüße!
Dir und unsern lieben Kindern die herzlichsten Küsse! Dein treuer Ernst.