Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Berlin, 28. Dezember 1870

Berlin, 28/12 1870.

Liebe Agnes!

Herzlich danke ich Dir für Deine Briefe, wie sehr freut es mich, daß Du wieder wohl bist, und das Weihnachtsfest heiter mit Deinen Lieben verlebt hast. –

So wollen wir dann auch mit gutem Muth dem zu erwarttenden Ereigniß entgegen gehna, mit Gottes Hülfe wird es Dir ja diesmal viel besser gehn, ist doch immer die zweite Entbindung viel leichter als die erste, und da Du doch auch viel wohler und kräftiger als früher bist, || so können wir mit Zuversicht hoffen, daß alles nach Wunsch geht. –

Walterchen muß Euch allen rechte Freude am Weihnachtsfest gewesen sein. Gott erhalte Euch das liebe Kind. Schön war es auch, daß Deine liebe Mutter wieder gesund, Clara zurück und Dein Bruder bei Euch war. –

Du kannst denken, liebe Agnes, wie sehr ich im Geiste mit Euch war, wie ernst mich auch die Angelegenheit der Wienerberuffung beschäftigt hat; muß es Euch doch || auch viel Gedanken gemacht haben. –

Daß Gegenbauer wieder krank ist, thut mir herzlich leid, hoffentlich ist er bald wieder gesund. –

Wir sind gesund, leiden aber viel von der Kälte; Vater ist auch viel matt und schwach und schläft viel. –

Wie ich Euch neulich schrieb erwartteten wir zum dritten Feiertag die Potsdammer, da schrieb Karl: bei der grimmigen Kälte würden sie wohl nicht kommen können; nun kamen vorgestern Abend um 9 Uhr Heinerich und Marie und sagten die Eltern und Geschwister würden Dinstag erscheinen, || da unsere Logierstube jetzt grimmig kalt ist so ließ ich die beiden Kinder auf den Sophas schlaffen; gestern kamen zu meiner Freude denn auch alle, ausser Ernst, der Weihnachtskrank war, und Max der in der Kälte nicht reisen sollte. Es soll dem kleinen Kerl aber recht gut gehn, und er hat das Entwöhnen gut überstanden; ich war recht froh mal alle hier zu haben, freilich hätte ich gerne meine Jenenser noch dabei gehabt; doch das kann nicht sein. Du || kannst aber denken wie viel wir von Euch gesprochen; der gute Karl war auch viel umher gewesen um Forschungen wegen Wien zu machen; er wollte heute an Ernst schreiben, ich habe nun gleich heute Abend Ernstens Brief, als er ankam, gleich nach Potsdam geschickt. –

Karl, Clara und Marie fuhren mit dem 7 Uhr Zug nach Potsdam; Karl und Heinerich sind bei uns geblieben, Herrmann und Anna bei Jacobis und Georg und Julius bei Tante Bertha, || die das sehr gewünscht hatte. Leider haben Clara und Karl Bertha noch nicht besser gefunden. Die Aermste hat viel Schmerzen. Mir ist es recht schwer, daß ich nicht zu ihr kann. – Morgen Nachmittag werden Karl und Clara bei Liscos sein, und nehmen dann alle Kinder wieder mit heim. Eine rechte Freude ist esb, daß die Kinder alle in der Schule sehr gute Censuren erhalten haben. Besondere Freude ist mir aber die Genesung des kleinen Karls, den Jungen so frisch und || munter zu sehn. –

Wie leid ist es mir gewesen, daß ich so eilig und unruhig beim Packen der Kiste für Euch war, denn kaum war sie fort da fiel mir noch allerlei Kleinigkeiten ein, die vergessen waren. –

Grüsse mir Deine liebe Mutter und Clara herzlich, und unserm lieben Puttin gieb einen Kuß von seiner

alten Großmutter

Lotte

Mein lieber Ernst!

Ein erstes wichtiges Jahr schliessen wir nun bald, Gott gebe, daß das herannahende || glücklicher sei. Von Herzen wünsche ich Dir und den Deinen daß Euere [!] häusliches Glück Euch erhalten bleibe, und durch den zu erwarttenden Zuwachs sich mehre. –

Ich habe noch vergessen Dir neulich zu schreiben, daß jeder Enkel von mir zu Weihnachten 1 Thaler bekommt also Dein Walter auch, Du kannst ihm dafür was kaufen oder in die Spaarbüchse legen, ich habe ihn in unserer Berechnung bemerkt. Soll ich Dir das Geld, was ich für Dich erhebe, schicken?

a korr. aus: geht; b eingef.: ist es

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.12.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 37000
ID
37000