Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 13. Juni bis 4. Juli 1884

Potsdam 13/6 84.

Mein lieber Ernst!

Eben bringt Karl mir Deine lieben Zeilen, wofür ich Dir herzlich danke. In den letzten Tagen war ich viel bei Dir und theilte mir Dir die verschiedenen Empfindungen, welche das Ende des a Mannes brachte, der so vielfach auf Deinen Lebenslauf Einfluß gehabt, und ich fühle es tief welchen Verlust Dir durch diesen Tod geworden ist.

Gegen mein Wünschen muß ich Dir danken für Deine freundlich, liebvolle Aufforderung Euch zu besuchen; wenn ich auch mit vollem Vertrauen zu Dir und Agneß zu Euch kommen würde, und ich so gerne so mancherlei mit Euch besprechen möchte, ||

30/6

Als ich diese Zeilen an Dich schrieb, wurde ich unterbrochen und konnte nachher den Faden nicht wiederfinden, und doch sende ich sie Dir, sie sollen Dich überzeugen, daß es nicht möglich ist auch nur ein paar Zeilen auf’s Papier zu bringen, Deine alte Mutter ist verbraucht, sie paßt auch nicht mehr in der neuen Welt, aber von Herzen liebt sie ihre Kinder, und freut sich über ihr Wohlergehn.

Doch heute drängt es mich, Dir gleich zu danken für alle Liebe, mein Herzens Junge. Was so von Herzen kommt, das geht auch zum Herzen. Schon die schönen Waldblumen brachten mir Eueren wohl thuenden Gruß; erzählen mir || von Euerer Wandlung durch den Wald; aus den heute erhaltenen Brief, für den ich Dir noch besonders danke, sehe ich nun leider zu meiner Betrübniß, daß Deine liebe Frau krank war, wenigstens hoffe ich, daß sie bald genesen wird. Das Wetter hat wohl viel Unwohlsein gebracht, hier im Hause hatten auch fast Alle mehr oder weniger an Erkältung zu leiden. –

Doch für heute geht es nicht weiter: der Kopf ist dumm und die Augen schmerzen, also: Gute Nacht, mein Herzens Ernst. Gott behüte dich und Dein Haus! ||

3/7.

Vorgestern wurde ich noch durch eine dritte Sendung von meinem lieben Jungen überrascht; die mir bewiesen wie sehr er bedacht ist auf alles womit er glaubt mich zu erfreuen. Nun habe 1000 Dank für all Deine Liebe; wenn auch im Alter der Mensch stumpf wird und bei den abnehmenden Kräfte täglich schmerzlich empfindet, daß er ganz unnützt lebt, und beim beßten Willen auch nichts mehr leisten kann, so bleibt doch die Liebe, und die mag uns, so Gott will, begleiten bis zur ewigen Ruhe. – || Recht betrübt es mich, daß Deine liebe Frau noch immer leident ist, grüsse sie herzlich von mir wie auch Deine Kinder. Walter und Lisbet haben mich sehr erfreut mit Briefen, sage beiden vorläufig meinen herzlichen Dank, so gerne ich ihn selbst aussprechen möchte, so ist es mir doch jetzt nicht möglich, mein Kopf ist zu dumm.

Uebrigens wurde ich b vorgestern mit Briefen überschüten, selbst von Vielen, wo ich gar nicht glaubte, daß sie an meinen Geburtstag denken würden. Nun umso mehr muß ich für jeden Liebesbeweiß danken. ||

Von Bertha erfuhr ich, daß sie wohl in diesen Tagen von Münster abreisen würde, aber sich auch auf der Heimreise noch an verschiedenen Orten sich aufhalten würde.–

Heute bekam ich von Gustchen von Post noch einen Brief, der mir auch mittheilt, daß Jemima, die Witwe von Wilhelm Bleek mit ihren Kindern bei ihr ist also die Reise von Affrika glücklich zurückgelegt hat. –

Doch es geht nicht weiter, so gerne ich auch noch manches mit Dir besprechen mögte, so muß ich doch || schließen. Sei mit Frau und Kinder herzlich gegrüßt und behaltet lieb

Euere

alte Mutter Lotte.

a gestr.: E; b gestr.: über

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.06.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36981
ID
36981