Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 5. – 7. März 1884

Potsdam 5/3 84.

Lieber Ernst!

Wie ich aus Deinen letzten Nachrichten sehe müssen nun bald Deine Ferien anfangen, in denen Du mir die Freude Deines Besuchs versprichst; dies hat bei mir den Wunsch rege gemacht: daß Du je ehr je lieber kommst; denn erstens hast Du dann mehr Ruhe hier als wenn wieder der Anfang der Vorlesungen erwarttet wird; und zweitens je eher Du kommst, um so sicherer können wir erwartten, uns noch zu || sehn und zu sprechen; in meinem hohen Alter muß a man ja immer gefaßt sein: schnell abgeruffen zu werden. Wird Deine liebe Frau Dich begleiten? Die Kinder haben wohl keine Ferien?

Wenn wir schönes Frühlingswetter bekommen wirst Du Dich nach Jena sehnen, also ist es besser, Du kommst je ehr je lieber.

Freitag d. 7ten

Als ich vorgestern eben in Begrif war, diese Zeilen an Dich b zu schreiben, wurde ich durch Berthas Besuch überrascht, die bis gestern Abend blieb; und nun sind wieder alle Ge-||danken verflogen. Nun die haupt Sache war es doch; Dich zu veranlassen je ehr je lieber zu mir zu kommen.

Heute vor 73 Jahren verliessen wir Münster um nach Düsseldorf um zu ziehen, da gedenke ich der mancherlei Begebenheiten, die das wechselvolle Leben gebracht hat: mir ist es immer erschienen als ob auch dieser Wechsel der Lebensverhältnisse einen bedeutenden Einfluß auf unsere innere Entwickelung ausübt. – – ||

Nun, mein lieber Ernst, für heute genug oder schon zu viel für eine alte, klapperige Frau. Also Gott befohlen, es gehe Dir mit Frau und Kinder recht wohl; vor Allem gebe Gott Euch diec Freude, daß Euere Kinder Ihren Lebensberuf erfüllen, wenn es auch anders kommt, als wir denken und wünschen, wenn sie nur brav werden.

Nun gute Nacht, mein lieber Ernst, behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte.

a gestr.: j; b gestr.: ab; c eingef.: die

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.03.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36972
ID
36972